(„Alice in Wonderland“ directed by Arthur Rankin and Jr., Jules Bass, 1973)
Ein Buch so ganz ohne Bilder? Das ist jetzt weniger dazu geeignet, die Aufmerksamkeit von Alice zu erhalten. Und so interessiert sich das Mädchen auch viel mehr für das sprechende weiße Kaninchen, dass da an ihr vorbeiläuft als für die Geschichte, welche ihre ältere Schwester gerade vorliest. Als Alice dem Tier folgt, fällt es in ein tiefes Loch und landet am Ende in einem sonderbaren Land, in dem nichts so ist, wie sie es von draußen gewohnt ist.
Kaum ein Buch ist wohl eine ähnlich dankbare Vorlage für Verfilmungen wie Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“, ist ähnlich flexibel einsetzbar, je nachdem welche Aspekte man sich davon herausgreift. Das betrifft sowohl den Inhalt, der von Kindermärchen bis zu surrealen Alpträumen (Alice) alles erlaubt, wie auch die Struktur. Durch die episodenhafte Geschichte, deren einzelnen Szenen kaum zusammenhängen, kann man aus dem Stoff ganze Serien machen (Alice im Wunderland), aber auch einen Kurzfilm.
Eine der kürzesten Versionen ist dabei die 1973 produzierte Zeichentrickfassung, gerade einmal rund 20 Minuten dauert diese. Anders als die erste Verfilmung von 1903 ist dies hier jedoch nicht durch technische Einschränkungen bedingt, sondern durch das Konzept: Alice im Wunderland war Teil einer 18 Episoden langen Zeichentrickserie namens Festival of Family Classics, welche Anfang der 1970er klassische Märchen und bekannte Bücher fürs Fernsehen adaptierte, darunter In 80 Tagen um die Welt, Aschenputtel oder Robin Hood. Dahinter steckte ein Duo, welches einem im Zeichentrickbereich häufiger mal über den Weg lief: Arthur Rankin, Jr. und Jules Bass haben zwischen den 60ern und späten 80ern Dutzende von Filmen und Serien produziert, darunter auch Das letzte Einhorn und die Zeichentrickvariante von Herr der Ringe.
Dabei arbeiteten sie oft mit japanischen Animationsstudios zusammen, so auch hier, wo sich das einst von Osamu Tezuka geleitete Mushi Production (Belladonna, Astro Boy) verantwortlich zeigte. Die fernöstliche Herkunft ist dem Endprodukt jedoch nicht anzusehen, vielmehr orientierte man sich doch stark an der Disney-Variante von 1951. Deren Qualität sollte man jedoch nicht erwarten: Während die Designs passabel sind, ist die technische Umsetzung schon deutlich von finanziellen, vielleicht auch zeitlichen Engpässen geprägt, die Animationen sind rudimentär, die Hintergründe sind es auch.
Warum man nun ausgerechnet diese Zeichentrickversion schauen sollte und nicht eine von den vielen anderen, zum Teil deutlich besseren, ist nicht so ganz klar. Weder ist sie allzu hübsch anzusehen, noch gewinnt sie der bekannten Geschichte neue Aspekte ab – dafür ist sie einfach zu kurz. Immerhin dürfen wir größtenteils originalgetreue Dialoge hören, die deshalb auch einen Teil ihrer Absurdität bewahrt haben, trotz der Kürze tauchen auch erstaunlich viele der bekannten Figuren auf. Und auch die typische Retro-Optik ist nicht ganz ohne Reiz, vor allem für nostalgisch veranlagte Zuschauer. Wer zufällig einmal hineinschaut oder die Prinzessinnen Collection daheim hat, in deren Rahmen der betont kinderfreundliche Film hierzulande erhältlich ist, der kann ihn sich einmal anschauen. Angesichts der zahlreichen Alice-Konkurrenz ist die Version aber keine, die man unbedingt braucht.
(Anzeige)