(„Alice of Wonderland in Paris“ directed by Gene Deitch, 1966)
Ins Wunderland zu kommen, sei einfach gewesen, erzählt Alice ihrer Katze Dinah. Schließlich hätte sie dafür nur durch ein Loch fallen müssen. Paris jedoch, das sei viel schwieriger, dafür bräuchte es schließlich Geld. Dabei würde sie so gerne einmal die Stadt sehen und auch Madeline kennenlernen, die Heldin ihres Lieblingsromans. Da taucht plötzlich François auf, eine sprechende Maus, die eine Umfrage zu den beliebtesten Käsesorten führt. Alice willigt ein, an dieser teilzunehmen, wenn François dafür verspricht, sie mit in seine Heimat zu nehmen. Mittels eines magischen Käses, der Alice schrumpfen lässt, machen sich die beiden auf nach Frankreich und erzählen sich während ihrer Reise mehrere Geschichten.
Wenn es ein filmisches Pendant zum „Windbeutel des Jahres“ gäbe, jener wenig schmeichelhaften Auszeichnung für die irreführendste Werbung, Alice of Wonderland in Paris wäre sicher einer der Preisträger gewesen. Mit dem berühmten Buch von Lewis Carroll hat die tschechisch-amerikanische Produktion nämlich recht wenig zu tun, ist vielmehr eine Art Fortsetzung. Das ist nicht zwangsweise verwerflich, auch Nick Willing (Alice im Wunderland) und Tim Burton (Alice im Wunderland) haben mit unterschiedlichem Erfolg darüber nachgedacht, wie das Abenteuer von Alice weitergehen könnte. Während beide aber zumindest diverse Figuren, inhaltliche Elemente und den Schauplatz der Vorlage beibehielten, ist hier praktisch nichts mehr davon zu finden. Wir haben Alice, Katze Dinah – die genaugenommen aus „Alice hinter den Spiegeln“ ist – und eine kurze Schrumpfsequenz am Anfang. Viel ist das nicht, wird eigentlich auch nur zu Beginn gebraucht, nicht einmal Alice selbst spielt eine größere Rolle.
Stattdessen besteht Alice of Wonderland in Paris au seiner Aneinanderreihung von fünf adaptierten Kurzgeschichten, die weder zueinander noch zu „Alice im Wunderland“ einen Bezug haben. Zwei davon basieren auf den „Madeline“-Bilderbüchern von Ludwig Bemelmans, die in den USA entstanden sind und die Geschichte der 7-jährigen Madeline erzählen, welche in Paris auf ein katholisches Internat geht. Sie ist quasi das Gegenstück zu Alice, träumt ebenfalls davon ihre berühmte Buchkollegin kennenzulernen. Komplettiert wird die Sammlung durch Werke von Eve Titus, Crockett Johnson und James Thurber.
Wäre es dabei zu einer echten Crossover-Begegnung der Figuren gekommen à la Die Glücksbärchis – Abenteuer im Wunderland oder Leon und die magischen Worte, die Idee hätte eventuell ihren Reiz gehabt. So aber erschließt sich das Konzept nicht wirklich, die Kombination der einzelnen Geschichten ist sehr forciert. Mit packenden Geschichten könnte man über diese plump-dreiste Herangehensweise noch hinwegsehen. Aber auch die einzelnen Episoden sind sehr simpel, abgesehen von dem netten Auftakt über die käsetestende Maus Anatole (Titus) hält sich der Unterhaltungsgrad in Grenzen. Besser sind da schon die Auseinandersetzungen zwischen Alice und François, wenn das Mädchen den Käseconnaisseur mit ihrem nicht sonderlich distinguierten Geschmack – Cheeseburger! – regelmäßig an den Rand einer Sinnkrise bringt. Wer mag, kann da reinschauen, die einfachen Zeichnungen und Soundeffekte der 60er-Jahre-Produktion bieten zudem Stoff für Nostalgiker. Aber selbst dann ist Alice of Wonderland in Paris in erster Linie als Kuriosität interessant, weniger als eigenständiges Werk.
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