(„Deutschland 83“ directed by Samira Radsi and Edward Berger, 2015)
Im Jahr 1983 hat das weltweite atomare Wettrüsten ein gefährliches Stadium erreicht. Welche Waffen hat der Feind? Und vor allem: Wird er diese benutzen? Auch die DDR wollen bei den Spionagespielchen kräftig mitmischen und schleusen dafür den Grenzsoldaten Martin Rauch (Jonas Nay) in der BRD ein. Der soll von nun an als Oberleutnant Moritz Stamm eine Stelle bei Generalmajor Wolfgang Edel (Ulrich Noethen) antreten und so herausfinden, was wirklich jenseits der Mauer geschieht. Ganz einfach ist das nicht, denn immer wieder kommt ihm sein Privatleben dazwischen, bis er irgendwann gar nicht mehr weiß, wer er eigentlich noch ist.
Kaum eine deutsche Serie dürfte in den letzten Jahren wohl vergleichbar stark gehypt worden sein wie Deutschland 83. Kein Wunder, dass eine hiesige Produktion in die USA verkauft und dort sogar ausgestrahlt wird, noch bevor man selbst an der Reihe ist, das war schon mehr als ungewöhnlich. Mit entsprechend breiter Brust und diversen amerikanischen Lobeshymnen in der Tasche lief dann zum überfälligen Sendetermin auch in Deutschland die Marketingmaschinerie auf Hochtouren. War das nun ein Beweis für die hohe Qualität der Fernsehserie? Oder für deren Mangel bei der Konkurrenz? Von beidem ein bisschen. Während auch das deutsche TV immer wieder gelungene Formate vorweisen kann (Der Tatortreiniger, Zeit der Helden, Eichwald MdB), so sind die Ambitionen meistens gering.
Bei Deutschland 83 ist das anders, die Geschichte um den deutschen Spion ist Event-TV durch und durch. Bemerkenswert ist, dass man hierfür auf die ganz großen Namen verzichtete, um Quote zu erzeugen. Auf die Qualität hatte das keinen negativen Einfluss, im Gegenteil: Nachwuchsschauspieler wie Jonas Nay und Ludwig Trepte dürfen so endlich einmal vor einem größeren Publikum ihre Klasse beweisen. Und das gilt auch für den Rest des Ensembles. Ob es die anderen Spione des Ostens sind (Alexander Beyer, Godehard Giese), die rebellierenden Kinder des Generals (Trepte, Lisa Tomaschewsky) oder Martins intrigante Tante (Maria Schrader) und deren nicht minder manipulierende Chef (Sylvester Groth) – bis in die Nebenrollen hinein ist die Serie exzellent besetzt und wird für einige hoffentlich der lange verdiente Durchbruch werden.
Die sehr guten Schauspielleistungen sind aber nur einer der Gründe, weshalb die Vorschusslorbeeren nicht ganz unverdient waren. Auch die Ausstattung und das Drumherum sind sehr gelungen: Walkman, Floppy Disk, ein wunderbarer 80er-Jahre-Soundtrack (Nena, David Bowie, Tears for Fears), da wurde schon eine Menge dafür getan, dass man sich plötzlich 30 Jahre zurück in die Vergangenheit gesetzt fühlt. Abgerundet wird die Zeitreise durch historische Einspieler, die geschickt das Reale mit dem Fiktiven verbinden. Manchmal möchte man fast meinen, die gezeigten Ereignisse wären wahr.
Anfangs zumindest, denn je weiter die Serie voranschreitet, umso häufiger stolpert sie über ihre eigene Unglaubwürdigkeit. Dass man bei einer RTL-Serie hier nicht die ganz großen Ansprüche stellen sollte, ist klar. Zumindest aber sollte das Handeln der Personen nachvollziehbar bleiben, um nicht aus der Handlung gerissen zu werden. Das ist hier aber des Öfteren der Fall, bei einigen hier setzt ein spontaner Sinneswandel ein, der sich durch die Geschichte nicht wirklich erklären lässt.
Schade auch, dass Deutschland 83 die anfängliche Leichtfüßigkeit später abhandenkommt. Anstatt die humorvollen Elemente beizubehalten, welche die ersten Folgen auszeichnet, soll es zum Ende hin sehr dramatisch werden. Und dabei schoss man an einigen Stellen doch deutlich übers Ziel hinaus. Hätte es wirklich Martins nierenkranke Mutter (Carina Wiese) gebraucht? Seine schwangere Freundin Annett (Sonja Gerhardt)? Den Nebenbuhler Thomas (Vladimir Burlakov) mit seiner unerlaubten Nebentätigkeit? Den homosexuellen Bettgespielen Felix von Schwerin (Florian Bartholomäi)? Irgendwann gewinnt man den Eindruck, dass wirklich jeder einzelnen Figur hier ein Problem, eine Macke oder ein dunkles Geheimnis angedichtet werden sollte, damit man sich im Anschluss auch an sie erinnert.
Dadurch wird die eigentliche Geschichte aber stark überladen, hier wird wirklich alles aufgefahren, was nur irgendwie geht: tödliche Krankheiten, uneheliche Kinder, verborgene sexuelle Begierden, Ehebruch, lange zurückliegende Liebschaften. Einen Gefallen tat man sich damit nicht, was als eine sehr unterhaltsame Spionageserie begann, droht immer wieder in eine billige Soap Opera abzudriften. Doch auch wenn der enorme Hype dann am Ende vielleicht doch etwas übertrieben war, ist es doch schön, wie hier (Fernseh-)Geschichte geschrieben wurde. Und wenn es tatsächlich zu einer zweiten Staffel kommen sollte, die derzeit unter dem Titel Deutschland 86 gehandelt wird, bleibt immer noch Gelegenheit, am Feintuning zu arbeiten und den überflüssigen Ballast abzuwerfen.
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