Melodie des Meeres
© KSM

(„Song of the Sea“ directed by Tomm Moore, 2014)

Melodie des Meeres
„Die Melodie des Meeres“ läuft ab 24. Dezember im Kino

Und wir bleiben bei den jugendlichen Protagonisten: Wie schon letzte Woche bei Aku no hana – Die Blumen des Bösen erzählt auch Teil 85 unseres fortlaufenden Animationsspecials von den Schwierigkeiten, in dieser Welt seinen Platz zu finden. Dieses Mal sind es jedoch nicht die seelischen Abgründe, welche den Figuren zu schaffen machen, sondern deutlich fantasievollere Elemente.

Seit dem Tod ihrer Mutter leben der 10-jährige Ben und seine 6-jährige stumme Schwester Saoirse allein mit ihrem Vater in einem abgelegenen Leuchtturm – sehr zum Missfallen ihrer Großmutter, welche die beiden lieber in der großen Stadt sähe. Als sich Saoirse eines Nachts rausschleicht, um ins Meer zu gehen, reicht es der alten Damen und sie nimmt die zwei Kinder einfach mit. Dabei hat die Sehnsucht des Mädchens nach dem Wasser seine guten Gründe, ist sie in Wahrheit doch eine Selkie, ein Fabelwesen, das an Land ein Mensch, im Wasser eine Robbe ist. Lange hält es das Kind deshalb auch nicht in der Stadt aus und macht sich zusammen mit ihrem Bruder bald auf den Heimweg – schließlich hat sie eine wichtige Aufgabe zu erfüllen.

In den letzten Wochen hatten Liebhaber traditioneller Animationsfilme gleich mehrfach Gelegenheit, diese endlich wieder auf der großen Leinwand sehen zu können: Erst kam Erinnerungen an Marnie, das Abschiedswerk der japanischen Altmeister Studio Ghibli in die Kinos, dann der brasilianische Geheimtipp Der Junge und die Welt. Und nun sind die europäischen Kollegen an der Reihe, dürfen in Die Melodie des Meeres zeigen, dass auch auf dem alten Kontinent die alten Künste noch beherrscht werden. Selbstverständlich war das nicht, wurde uns Tomm Moores erster Film Das Geheimnis von Kells doch vorenthalten, erst Jahre später etwas versteckt auf DVD veröffentlicht.

Wer diesen seinerzeit gesehen hat, der weiß bereits, warum der Kinostart ein Grund für Freude ist: Der Ire Moore tauchte in seinem Debüt tief ein in die Sagen und Mythen seines Landes, brachte uns Fabelwesen näher, die uns hierzulande unbekannt sind, verknüpfte diese jedoch mit einer universalen Geschichte und einer wunderbaren Optik. Und all das tut er auch in seinem Zweitwerk, wofür es erneut eine Oscarnominierung als bester Animationsfilm gab, auch wenn man sich am Ende dem deutlich bekannteren Baymax geschlagen geben musste.

Das war natürlich zu erwarten, schade ist es dennoch. Rein technisch gesehen kann es die europäische Koproduktion natürlich nicht mit dem 165-Millionen-Dollar-Blockbuster aus dem Hause Disney aufnehmen, vom Marketing her sowieso nicht. Wenn es allein um die visuelle Kreativität geht, da haben jedoch Moore und sein Team die Nase vorn, packen die Geschichte in betörend-fremde ornamentale Bilder, wie sie sonst keiner verwendet. Das Geheimnis von Kells war in der Hinsicht noch etwas experimenteller, verband gleich mehrere Stile in einem. Doch auch in der etwas abgespeckten Variante heißt es hier staunen und träumen angesichts der verspielten Designs.

Und darum ging es eben in Die Melodie des Meeres: Moore macht uns in seinem inhaltlich eher simplen Film zu großen wie kleinen Kindern, die plötzlich eine magische Welt versetzt werden. Der Klassiker Mein Nachbar Totoro von Hayao Miyazaki stand dafür Pate, wie der Ire verriet. Und die inhaltlichen Gemeinsamkeiten sind unverkennbar: Hier trifft das Universelle auf das Fantastische, die Suche nach der eigenen Identität auf ein märchenhaftes Drumherum. Eine kleine Moral gibt es zum Schluss auch noch auf den Weg, die an Alles steht Kopf erinnert und davon handelt, das Leben zu akzeptieren, wie es ist. Ganz so viel Humor wie bei dem Pixar-Meisterwerk gibt es hier nicht, auch da war Das Geheimnis von Kells der etwas stärkere Film. Davon sollte sich aber niemand abhalten lassen: Die Melodie des Meeres bietet klassische, bezaubernde Familienunterhaltung im besten Sinn und lässt dabei sogar die große aktuelle Konkurrenz in Form von Arlo & Spot und Die Peanuts qualitativ hinter sich. Bleibt also zu hoffe, dass sich der deutsche Kinoausflug auch finanziell bezahlt macht und wir in Zukunft vielleicht wieder häufiger Perlen wie diese großflächig zu sehen bekommen.



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Wie schon bei „Das Geheimnis von Kells“ erzählt Tom Moore hier eine von irischer Folklore beeinflusste Geschichte, die gleichzeitig fremd und doch universell ist. Sein letzter Film bot zwar mehr visuelle Abwechslung und Humor, aber auch „Die Melodie des Meeres“ ist ein bezauberndes Märchen, das optisch kreativer ist als die meisten Blockbuster.
8
von 10