Es ist schwer ein Gott zu sein
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Es ist schwer, ein Gott zu sein

(„Trudno byt bogom“ directed by Alexei German, 2013)

Es ist schwer ein Gott zu sein DVD
„Es ist schwer, ein Gott zu sein“ ist seit 27. November auf DVD und Blu-ray erhältlich

„Schauen, nicht anfassen“, lautet der Auftrag, den Don Rumata (Leonid Yarmolnik) und seine Wissenschaftlerkollegen erhalten haben, als sie auf den Planeten Arkanar geschickt wurden. Dieser ist der Erde recht ähnlich. Oder besser: der Erde, wie sie vor rund 800 Jahren ausgesehen hat. Die Menschen dort leben noch wie im Mittelalter, gehen unentwegt aufeinander los und führen Krieg. Vor allem Gelehrte müssen um ihr Leben fürchten, denn auf sie wird gnadenlos Jagd gemacht. Don Rumata bietet sich ein ständiger Anblick des Grauens und darf dennoch nicht in die Geschicke des Planeten eingreifen – was ihn mehr und mehr zerfrisst.

Sich Es ist schwer, ein Gott zu sein anzusehen, erfordert viel Sitzfleisch und Geduld, knapp drei Stunden lautet der fünfte und letzte Film des 2013 verstorbenen russischen Regisseurs Alexei German. Und es sind drei Stunden, die man so schnell nicht wieder vergessen wird. Am Inhalt liegt das weniger, denn nach einer knappen Einführung wird der Zuschauer mit den grotesk-grausamen Bewohnern des Planeten allein gelassen – ohne Hilfe, ohne Erklärungen, ohne einen echten Helden. Ja, es gibt Don Rumata, der fast durchgängig zu sehen ist und von der lokalen Bevölkerung als Gott angesehen wird. Aber es ist kein Gott, den man anbeten würde. Einer, der sich dafür rühmt, 372 Ohren abgeschnitten zu haben. Einer, der im Zentrum steht, aber durch seine Hilflosigkeit doch meist ohne Bedeutung bleibt.

Ihm folgt die Kamera auf Schritt und Tritt, streift durch das Land, trifft Mensch und Vieh, ohne dabei je klarzumachen, wo das eine anfängt, das andere aufhört. Mit einer durchgängigen Handlung ist das nicht verbunden, vielmehr ist Es ist schwer, ein Gott zu sein eine Aneinanderreihung von Momentaufnahmen, die sich manchmal erschließen, oft auch nicht. Das ist ein bisschen so, als würden wir einem Reporter hinterherlaufen, drei Stunden lang, durch eine Stadt vielleicht. Vielleicht ist es auch nur ein Zeltlager, das weiß man hier nie so genau. Unentwegt laufen dabei andere Personen durchs Bild, unterhalten sich mit Don Rumata oder auch miteinander, verschwinden anschließend wieder. Was zurückbleibt sind Dialogfetzen und Bilder, die wir oft nur aus den Augenwinkeln sehen.

Hässliche Bilder, die immer eine Spur zu nahe dran sind. Am Zuschauer, am Geschehen. Es wird geschlagen, getreten, gefoltert, gespuckt, gelacht, gefleht, geweint. Es ist schwer, ein Gott zu sein, das ist ein Film, der sich so bedingungslos und ohne Rücksicht auf den Zuschauer im menschlichen Dreck suhlt, dass man sich selbst daheim noch schmutzig fühlt. Überall liegt Matsch herum, in Arkanar regnet es unentwegt. Wenn es nicht gerade schneit. Es sind faszinierende Bilder, verstörende Bilder, voll gewaltiger Rohheit, ein hypnotischer und zugleich abstoßender Anblick. Wie ein schrecklicher Unfall am Straßenrand der Menschheit, den man gleichzeitig sehen und nicht sehen will. Ein grandioser Film, ein furchtbarer Film. Ein Film, bei dem man dankbar ist, ihn einmal gesehen haben zu dürfen. Aber auch einer, bei dem man dankbar ist, ihn vielleicht kein zweites Mal sehen zu müssen, so anstrengend ist die russische Tour de Force.

Vor allem ist die Adaption des Romans von Boris und Arkadi Strugatzki ein Film, der wie selten sonst den Zuschauer herausfordert. Parallelen zur realen Geschichte der Menschheit, vergangene wie aktuelle, sind naheliegend und doch schwer zu ziehen – allein schon weil German Jahrzehnte an seinem Magnum Opus gearbeitet hat. Wer sind die Schwarzen, wer die Grauen, die sich unentwegt bekämpfen? Das wird nicht klar, nicht bei Schwarz-Weiß-Bildern, nicht bei einem so unbarmherzigen Film. Es gibt Religion ohne Götter, Kriege und Verfolgungen ohne Gründe. Es darf also fleißig spekuliert und interpretiert werden, eine Erklärung dafür gesucht werden, warum die Bewohner so sind. Warum wir so sind. Am Ende bleibt immerhin die Erkenntnis, dass es schwer sein kann, hilflos dem Grauen um einen herum zusehen zu müssen, nicht eingreifen zu können. Als Gott wie auch als Mensch.



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Der dreistündige Science-Fiction-Epos fordert einem einiges ab: Erklärungen gibt es kaum, eine durchgängige Handlung ebenso wenig, dafür explizite und brutale Bilder, die gleichzeitig faszinieren und verstören. „Es ist schwer, ein Gott zu sein“ ist eine filmische Zumutung mit vielen Deutungsansätzen und ohne Rettungsanker.
7
von 10