(„Everyone’s Going to Die“ directed by Jones, 2013)
Es ist ein Zufall, der Melanie (Nora Tschirner) und Ray (Rob Knighton) in dem Café der englischen Kleinstadt zusammengeführt hat. Während die Deutsche ihrem Verlobten ins Ausland gefolgt ist und nun nicht so genau weiß, was sie da eigentlich soll, ist der Gangster auf dem Weg zur Familie seines verstorbenen Bruders. Trotz der verschiedenen Lebensumstände und des großen Altersunterschiedes finden die beiden im jeweils anderen etwas Vertrautes, zwischen ihnen entwickelt sich eine Freundschaft, die ihnen hilft, endlich mit ihrem Leben voranzukommen.
Everyone’s Going to Die ist einer dieser Filme, bei denen schon die Zuordnung zu einem Genre ein bisschen schwer fällt. Drama steht auf den gängigen Filmseiten, was naheliegend ist bei einem Werk, das Themen wie Entfremdung von der Familie aufgreift, Tod, Einsamkeit, Orientierungslosigkeit und eine Liebe, die nicht wirklich eine zu sein scheint. Als Komödie wird die englische Low-Budget-Produktion von den meisten Kritikern bezeichnet, angesichts des häufigen Humors nicht minder naheliegend. Eine Tragikomödie also? Ja und nein, denn auch damit gingen Erwartungen einher, die nicht erfüllt werden. So wie das Künstlerkollektiv Jones, welches hinter dem Film steckt, ganz offensichtlich großen Spaß daran hatte, an vielen Stellen von üblichen Weg abzuweichen.
Schon die erste Einstellung zeigt, dass Everyone’s Going to Die einen eigenen Kopf hat, wenn Melanie als Charlie Chaplin verkleidet auf einer Luftmatratze zu sich kommt, die in einem Swimming-Pool umhertreibt. Wie sie dorthin kommt, wird nicht verraten, auch nicht wessen Haus zum Ort einer offensichtlich sehr feuchtfröhlichen Party wurde. Auch das ist typisch für einen Film, der mit viel Mut zur Lücke an seine Geschichte geht, vieles nur beiläufig erzählt: in Halbsätzen, Telefongesprächen. Melanies Verlobter etwa, der eigentlich im Mittelpunkt ihres Lebens stehen sollte, der lässt sich während der gesamten 80 Minuten nicht blicken.
Dafür aber eine Reihe weiterer Figuren, die teilweise unglaublich skurril sind. Das ist witzig, ja, fügt sich aber nicht so gut mit den ernsten Themen des Films zusammen, hier trifft das Außergewöhnliche auf das Universelle. Zumindest drängt sich immer wieder der Eindruck auf, dass Jones eine ganze Menge über das menschliche Leben zu sagen haben, schleichen bis zuletzt aber um die Abgründe herum. „I feel like I should say something important now“, sagt Ray an einer Stelle, was die doch sehr verspielte Sinnsuche innerhalb von Everyone’s Going to Die noch einmal auf den Punkt bringt. Die Antwort ist da draußen, das weiß jeder. Gefunden hat sie jedoch niemand.
Der Film ist daher auch weniger für die Leute geeignet, die sich von Geschichten eine Bereicherung für das eigene Leben erhoffen, eine Art Moral. Dafür hält sich Everyone’s Going to Die zu sehr zurück, zieht es vor, bewusst unaufgeregt mit seinen Figuren durch die Stadt zu treiben, sich in Gesprächen zu verlieren, manchmal auch im Schweigen. Wenn überhaupt findet man hier Trost darin, dass auch andere im Erwachsenenalter längst nicht wissen, was sie mit sich anzufangen haben. Das ist nicht revolutionär, aber doch irgendwo sympathisch, zumal die beiden Hauptdarsteller ihre Figuren für den Zuschauer erlebbar machen: Sowohl die Deutsche Tschirner wie auch Knighton, der erst sehr spät zu seiner Schauspielberufung gefunden hat, werden zu Identifikationsfiguren in dem Wahnsinn, der das Leben bedeutet und dessen einzige Gewissheit darin besteht, dass er irgendwann ein Ende haben wird. Auf DVD ist der englische Indiestreifen hierzulande nicht erschienen, ist seit Kurzem aber als VoD erhältlich, etwa bei iTunes und bei Amazon.
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