(„Mistress America“ directed by Noah Baumbach, 2015)
Aller Anfang ist schwer, vor allem wenn er wie bei Tracy (Lola Kirke) gleich doppelter Natur ist. Nicht nur, dass die 18- Jährige sich schwer damit tut, während des Literaturstudiums Anschluss zu finden. Es ist auch ihre neue Wahlheimat New York, die ihr ein wenig zu schaffen macht. Ihre erste große Hoffnung, Kommilitone Tony (Matthew Shear), entpuppt sich als Fehlschlag, als er sich nicht in sie, sondern in Nicolette (Jasmine Cephas-Jones) verliebt – und die ist so eifersüchtig, dass sie die beiden keine Minute allein lässt. Es ist ausgerechnet Tracys bald 30-jährige zukünftige Stiefschwester Brooke (Greta Gerwig), die ihr den Traum des Großstadtlebens erfüllt und sie mit ihrer selbstbestimmten Art Mut macht, das Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen.
Nachdem Noah Baumbach zuletzt in Gefühlt Mitte zwanzig ein Paar in den mittleren Jahren sein bisheriges Leben überdenken lässt, ist der Blick in seinem neuesten Film wieder fest auf die Zukunft gerichtet. Oder besser: einen Traum, den die Figuren für ihre Zukunft halten. Ihren Platz im Leben haben beide Hauptfiguren nicht gefunden. Während Tracy daran aber keinen Zweifel lässt und mit sich und ihrer Umgebung hadert, wirbelt Brooke ohne Pause herum, ist in ihrer puren Lebensfreude so ansteckend, dass man über lange Strecken vergisst, wie wenig in ihrem Leben eigentlich wirklich klappt. Dass man glauben will, alles im Leben sei möglich, so lange man vollen Einsatz zeigt und von dem eigenen Plan überzeugt ist.
Und doch ist Mistress America ein Film, in dem Pläne häufiger scheitern als funktionieren. Ein Film, in dem hoffnungsvolle Studenten gedemütigt werden, eine vermeintliche Romanze durch ein falsches Händchenhalten ihr unrühmliches Ende findet, geniale Geschäftsideen von anderen geklaut werden. Letzteres ist der Aufhänger für einen Handlungsabschnitt, der nicht nur zu den komischsten des Films gehört, sondern der viele Genrekollegen dieses Jahr wieder beschämt zurück nach Hause schickt. Allgemein ist Mistress America trotz seiner nachdenklichen Seiten und der kleinen Risse, die sich an der Oberfläche mit der Zeit zeigen, in erster Linie ein Angriff auf die Lachmuskeln. Und als solcher ist der Film ungemein erfolgreich, die scharfzüngigen Dialoge und die absurden Situationen lassen einen zwischendurch kaum mehr zu Luft kommen.
Ohne die vielen starken Charaktere würde das aber sicher nicht halb so gut funktionieren. Dreh- und Angelpunkt ist dabei natürlich Gerwig, die zusammen mit ihrem Partner Baumbach das Drehbuch geschrieben hat und einen als Wirbelwind Brooke wegfegt. Der Rest muss sich jedoch nicht dahinter verstecken, gerade Kirke als stärker reflektierender Teenager sorgt für das notwendige Gegengewicht. Zu einer wirklichen Aussage lässt sich der Film nicht hinreißen, im Grunde ist Mistress America nicht mehr als nur ein weiterer Film über orientierungslose Menschen, die sich in hippen Träumen verlieren. Nur dass die dabei eben so witzig und charmant sind, dass die knapp anderthalb Stunden wie im Flug vergehen. Nachdem die deutschen Lichtspielhäuser zum Jahresende hin traditionell von Blockbustern, Familienfilmen und Gefühlsduseleien dominiert werden und die Komödienkonkurrenz daher derzeit überschaubar ist, ist die zweite und sehr schwungvolle Zusammenarbeit von Baumbach und Gerwig für jeden unverzichtbar, der einfach nur mal wieder im Kino herzhaft lachen möchte.
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