(„The Hollow Crown“ directed by Rupert Goold, Richard Eyre and Thea Sharrock, 2012)
Über die Stücke von William Shakespeare muss man nun wirklich kein Wort verlieren, wer auch nur ansatzweise mit Literatur oder Theater zu tun hat, der hat keine Chance, dem legendären Barden zu entkommen. Und selbst diejenigen, die das nicht von sich behaupten können, dürften über die auch 400 Jahre nach seinem Tod regelmäßig produzierten Verfilmungen mit den Werken in Berührung kommen. Eine der interessantesten stammt aus dem Jahr 2012 und ist eine Filmreihe, die auf vier Stücken von Shakespeare beruht: „Richard II“, „Henry IV – Part 1“, „Henry IV – Part 2“ und „Henry V“. Interessant ist das nicht nur, weil auf diese Weise die nicht immer friedfertige Abfolge englischer Könige als eine tatsächliche Entwicklung dargestellt wird und nicht als bloße Momentaufnahmen. Es sind auch die damit verbundenen Namen, die einen aufhorchen lassen.
Ben Whishaw etwa darf in Richard II den amtierenden Monarchen spielen, der sich durch seine Unentschlossenheit, Willkürlichkeit und eine fragwürdige Aneignung von Ländereien seinen Cousin Henry Bolingbroke (Rory Kinnear) gegen sich aufbringt, bis dieser offen rebelliert, den König stürzt und selbst den Thron besteigt. In dem Zyklus Henry IV wird der in die Jahre gekommene König durch Jeremy Irons dargestellt. Und es sind keine immer glücklichen Jahre gewesen. Zum einen schaffte es auch Henry IV sein Umfeld zu verärgern, alte Verbündete zu seinen Feinden zu machen – darunter Henry „Hotspur“ Percy (Joe Armstrong), der nun seinerseits gegen den König mobilmacht. Aber es sind auch private Umstände, die seine Herrschaft deutlich verkomplizieren. Sein Sohn Hal (Tom Hiddleston) hält wenig von dem Leben am Hof, zieht es vor, mit wenig respektablen Kumpanen wie Sir John Falstaff (Simon Russell Beale) durch Tavernen zu ziehen, zu trinken und zu feiern. Was weder Henry noch Hals Freunde ahnen: Der Prinz wartet nur auf eine Gelegenheit, sich zu beweisen. Und diese Gelegenheit bietet ihm die Rebellion, die es zu zerschlagen gilt. In Henry V ist Hal inzwischen selbst König geworden, Ruhe ist in seiner Familie deswegen aber noch nicht eingekehrt. Vor allem die Konflikte mit dem französischen König Charles VI (Lambert Wilson) müssen gelöst werden. Und darauf gibt es nur eine Antwort: Krieg.
Schon bei den Hauptpersonen wird man eine Reihe namhafter Schauspieler entdecken, hinzu kommen diverse prominente Kollegen wie Patrick Stewart, John Hurt oder David Suchet, die sich mit kleineren Rollen zufriedengeben. Dass die Darstellerleistungen auf höchstem Niveau sind, versteht sich von selbst, es gibt keine negativen, sondern nur positive Ausreißer. Whishaw beispielsweise interpretiert seine Figur als einen verspielten Exzentriker, der nicht ganz von dieser Welt scheint. Hiddleston hat die dankbarste Rolle aller Hauptdarsteller, da er in gleich drei der vier Filmen an vorderster Front steht und eine tatsächliche Entwicklung vom charismatischen Tunichtgut zum staatstragenden Heerführer mitmachen darf. Ganz anders Beale, der größtenteils auf der Bühne zu Hause ist und hier als heruntergekommener, notorischer Lügner für die humorvollen Szenen zuständig ist.
Auch die Ausstattung ist makellos, wie man es von einer BBC-Adaption eben erwarten kann: Rüstungen, Waffen, Tavernen, Burgen, Kostüme – all das ist schon sehr sehenswert. Man ließ es sich sogar nicht nehmen, auch die Schlachten einzubauen, ein wenig zumindest. Während die aus naheliegenden Gründen in den Stücken zwar wichtige Momente darstellten, aber kaum gezeigt wurden, werden sie hier zumindest bei den späteren Filmen auch nachgestellt. Dennoch sind die Theaterwurzeln deutlich zu spüren, The Hollow Crown ist weniger durch Handlungen als vielmehr durch Dialoge geprägt. Letztere sind absolut kunstvoll, gerade auch in der englischen Originalfassung, die sich bei einem solchen Werk naturgemäß besser schlägt.
Nur muss man sich auf dieses Kunstvolle einlassen können und auch wollen. In Shakespeares Stücken wird in so geschliffenen Sätzen gesprochen, dass dies zwangsläufig zu einer Distanz führt, die einzelnen Geschichten nie wirklich greifbar werden. Das liegt aber auch an dem Inhalt: Wenn persönliche Befindlichkeiten zu Bürgerkriegen führen, kein Mensch in der Lage ist, Verkleidungen zu durchschauen, die Ereignisse von geradezu unheimlichen Zufällen geprägt werden, dann ist das schon ein wenig schwer zu schlucken. Aber das war im Original ja auch schon der Fall, genauso der nicht allzu ausgeprägte Tiefgang der Figuren, die eher eine Funktion denn einen Charakter haben. Wer darüber hinwegsehen kann, der darf sich hier über acht Stunden lang in der Welt der Mächtigen verlieren, Zeuge von Intrigen und persönlichen Dramen werden, Helden und Aufschneidern begegnen.
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