Anomalisa
© Paramount Pictures

(„Anomalisa“ directed by Charlie Kaufman and Duke Johnson, 2015)

Anomalisa
„Anomalisa“ läuft ab 21. Januar im Kino

Die Kinogötter meinen es derzeit gut mit uns: Nachdem wir schon im Dezember mit Der Junge und die Welt und Die Melodie des Meeres zwei traditionelle wie ungewöhnliche Animationsfilme vorstellen durften, die den Weg auf deutsche Leinwände geschafft haben, ist das auch bei Teil 89 unseres fortlaufenden Animationsspecials der Fall. Dieses Mal ist jedoch alles anders und doch auch wieder vertraut.

Für einen Kongress reist der Ratgeberautor Michael Stone nach Cincinnati, wo er eine Rede halten soll. Ein weiterer Höhepunkt in seiner von Erfolgen gekrönten Laufbahn. Doch so richtig glücklich ist er nicht, trotz der Ehre, trotz der guten Verkaufszahlen, trotz Frau und Kind. Alles ist zu einem Alltag geworden, einem recht faden noch dazu. Auch sein Versuch, durch ein Treffen mit einer alten Flamme wieder etwas Abwechslung in sein Leben zu bringen, schlägt am Ende fehl. Erst als er der ungewöhnlichen Kundenbetreuerin Lisa begegnet, findet er einen Ausweg aus der Eintönigkeit.

Wenn Charlie Kaufman (Being John Malkovich, Vergiss mein nicht) zur Drehbuchfeder greift, dann dürfen sich die Freunde des Ungewöhnlichen schon einmal die Hände reiben. Das ist bei Anomalisa nicht anders, wenn auch nicht ganz so, wie man es erwarten würde. Die zugrundeliegende Geschichte um einen vom Leben gelangweilten Mann, der nach Aufregung sucht, ist eigentlich recht simpel, ließe sich problemlos in einem Satz zusammenfassen. Bis einem das auffällt, vergeht aber eine Weile, denn zunächst ist es eindeutig die Umsetzung, die hier alle Aufmerksamkeit erfordert.

Ursprünglich war Kaufman nicht wirklich überzeugt von der Idee, sein gleichnamiges Bühnenstück in einen Animationsfilm zu verwandeln. Am Ende fand er aber doch einen Weg, die Geschichte mithilfe von am 3D-Drucker erstellten Puppen zu erzählen. Schön sind die nicht unbedingt, ein bisschen unheimlich sogar, alle sind mit einer seltsamen Furche um die Augen versehen, die den Eindruck wecken, als würde jeder hier eine Brille tragen. Wozu diese Missbildung da ist, erschließt sich nicht ganz, abgesehen von einer seltsam unpassenden surrealen Szene ignoriert der Film diese besondere Anatomie.

Auch sonst irritiert Anomalisa durch gewisse audiovisuellen Entscheidungen, die sich so gar nicht mit der sonstigen technischen Perfektion – vor allem Gestik und Mimik sind eine Klasse für sich, dazu kommen stimmungsvolle Spezialeffekte – in Einklang bringen lassen. Der Eindruck trügt jedoch, die offensichtliche Eintönigkeit ist weder auf Zeitmangel, geringes ästhetisches Bewusstsein oder das knappe Budget zurückzuführen, auch wenn die dem Film zugrundeliegende Kickstartkampagne das vermuten lässt. Vielmehr ist sie Teil des Konzepts, eine tatsächlich brillante Idee, Michaels Wahrnehmung der Welt für andere erlebbar zu machen. Bewusst wird einem das aber erst nach einer Weile, weil das eigentliche Thema fast nie zur Sprache kommt. Einfach macht es einem Kaufman da nicht unbedingt, er fordert vom Zuschauer, selbst seine Schlüsse zu ziehen.

Diese Gemächlichkeit macht zusammen mit der eher sparsamen Handlung macht den Film zu einem für viele sicher recht distanzierten Vergnügen, denn so faszinierend Anomalisa auch ist, zwischendurch kommt es doch zu spürbaren Längen. Dennoch sollte sich keiner die zurecht für einen Oscar als bester Animationsfilm nominierte Tragikomödie entgehen lassen, zumindest nicht, wenn man auch nur ansatzweise etwas für das Medium übrighat. Oder auch menschliche Geschichten. Denn trotz der Puppen ist der Film eben vor allem das: menschlich.



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In „Anomalisa“ erzählt Charlie Kaufman eine gewöhnliche Geschichte um einen vom Leben gelangweilten Mannes mithilfe einer sehr ungewöhnlichen Stop-Motion-Technik. Das Tempo ist gemächlich, zwischendurch sind da auch ein paar Längen. Die unglaubliche Umsetzung und das zutiefst menschliche Szenario machen den Animationsfilm aber zu einem Muss.
8
von 10