(„Bone Tomahawk“ directed by S. Craig Zahler, 2015)
Der Schrecken ist groß in der kleinen Ortschaft im Grenzgebiet zwischen Mexiko und Texas, als die Bewohner feststellen müssen, dass einige Leute entführt wurden. Und das auch noch direkt aus dem Gefängnis. Wer hinter der Tat steckt, ist klar: eine Gruppe kannibalistischer Höhlenbewohner, die in der Nähe ihr Unwesen treiben. Eine kleine Gruppe bestehend aus Sheriff Hunt (Kurt Russell), seinem älteren Mitarbeiter Deputy Chicory (Richard Jenkins) und den beiden Cowboys Arthur (Patrick Wilson) und John Brooder (Matthew Fox) machen sich gemeinsam auf den Weg, um die Entführten zurückzuholen. Doch schon auf dem Weg dorthin warten diverse Gefahren auf das Quartett, die es zu bewältigen gilt.
Ein bisschen stutzig werden darf man schon: Trotz diverser Revivalversuche, so richtig populär ist das Westerngenre eigentlich nicht mehr. Und dann kommen mit The Revenant und The Hateful 8 gleich zwei Großproduktionen kurz hintereinander in die Kinos, protzen mit großen Namen vor und hinter der Kamera. Bone Tomahawk ist da schon etwas bescheidener. Sieht man einmal von dem Kurzauftritt bei den Fantasy Filmfest White Nights ab, begnügte man sich mit einer Veröffentlichung fürs Heimkino. Und das, obwohl auch hier einige bekanntere Schauspieler mitwirken, darunter Kurt Russell, einer der Hauptdarsteller von The Hateful 8.
Die Besetzung ist dann auch ein tatsächlich guter Grund, sich die ausgedehnte Rettungsaktion anzuschauen. Anstatt seine Protagonisten on einer Actionszene zur nächsten zu hetzen, lässt Regisseur und Drehbuchautor S. Craig Zahler sie in seinem Debüt lieber reden. Nachdem sich Bone Tomahawk schon recht viel Zeit nimmt, um die Figuren einzuführen, besteht der Film anschließend größtenteils aus der Reise. Der eigentliche Kampf gegen die Kannibalen? Der ist fast schon Nebensache. Ein wenig Geduld sollte man hier also schon mitbringen, um den langen handlungsarmen Mittelteil zu überdauern.
Dabei ist es nicht so, dass der Western an der Stelle nichts zu bieten hätte. Trotz eines mit Sicherheit nicht berauschenden Budgets darf sich der Zuschauer auf einige schöne Aufnahmen der weiten, rauen Landschaften freuen. Einen Heile-Welt-Postkartenkitsch braucht man hingegen nicht zu erwarten, dafür lauert hier an zu vielen Stellen der Abgrund. Die Rolle der Bösen ist zwar klar verteilt – die unmenschlichen Wilden haben so gar keine positive Eigenschaft –, sonderlich sympathisch sind einem aber auch die Helden nicht unbedingt.
Der interessanteste Aspekt sind aber gar nicht die wenig tiefsinnigen Figuren, sondern die thematische und atmosphärische Annäherung an das Horrorgenre. Zum Schluss ohnehin, an der Stelle lässt sich Bone Tomahawk zu einer derart absurden Gewaltorgie hinreißen, dass die Freigabe ab 18 mehr als gerechtfertigt ist. Aber schon vorher scheint die Bedrohung an jeder Ecke zu lauern. Gemäß der alten Tugend, dass die furchterregendsten Sachen immer die sind, die man nicht zu sehen bekommt, sind die Wilden auffallend abwesend. Und doch, wie in einem „echten“ Horrorfilm muss man ständig befürchten, sie könnten um die nächste Ecke kommen oder einen während des Schlafes überfallen. Die Reise zu den Höhlen, sie ist von einer ständigen Paranoia begleitet. Und wenn wir später den Kannibalen gegenüberstehen, ihr groteskes Äußeres mitansehen müssen, ihren markerschütternden Schreien zuhören, dann wird der zuvor so ruhige Film plötzlich so verstörend, wie man es aus dem Horrorgenre kaum noch kennt.
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