(„Das Wetter in geschlossenen Räumen“ directed by Isabelle Stever, 2015)
Bei Dorothea (Maria Furtwängler) läuft es zurzeit im Leben, in mehrfacher Hinsicht. Sie feiert als Entwicklungshelferin Erfolge, schafft es, den Reichen dieser Welt Geld für Projekte abzuschwatzen. Darunter auch für ihr neuestes, an dem persönlich ihr Herz hängt: jungen Mädchen durch Bildung eine Zukunft ermöglich. Aber es läuft bei der Deutschen auch wortwörtlich in Form von Alkohol, nicht wenige der zahlreichen Charity-Veranstaltungen, die sie in einem arabischen Krisengebiet besucht, enden im Vollrausch. Mit ihren Eskapaden, aber auch der Affäre mit dem deutlich jüngeren Alec (Mehmet Sözer) sorgt sie für Gesprächsstoff, teilweise sogar für Ärger. Bis irgendwann Aurelie (Anne von Keller) von der Zentrale vor ihrem Hotelzimmer steht und droht, die Zusammenarbeit aufzukündigen.
Der Fernseher ist voll davon, nicht erst seit gestern, Flüchtlingsströme, die immer wieder bei uns aufbranden, die wir irgendwie bewältigen müssen, ohne dass so richtig klar wäre wie. Dass dieses Thema früher oder später auch die Leinwände erreicht, war eigentlich zu erwarten. Jetzt ist es nun so weit, möchte man meinen. Tatsächlich hat Das Wetter in geschlossenen Räumen aber nur am Rande mit den Themen zu tun. Das fängt schon damit an, dass jede konkrete Einordnung hier verhindert wird: Regisseurin und Drehbuchautorin Isabelle Stever verschweigt uns sowohl, wann ihre Geschichte spielt, als auch wo. Es ist von Grenzen die Rede, von Krieg und Flüchtlingen. Mehr erfahren wir nicht.
Dafür interessiert sich Stever vor allem für das „wer“. Als inhaltlicher Ansatz ist das durchaus bemerkenswert, denn wenn es um Entwicklungshilfe geht, dann stehen normalerweise die Empfänger im Mittelpunkt, nicht deren Vermittler. Was treibt einen solchen Menschen an? Wie ist es, in der Ferne zu leben, sich des Geldes wegen ständig anbiedern zu müssen, während Bomben die Fenster zum Zerspringen bringen? Nicht schön, nur mit einer Mischung aus Alkohol und Zynismus ist ein solches Leben zu ertragen. So das Fazit. Richtig schockierend ist das zwar nicht, wohl aber deprimierend, die Geschichte von guten Absichten, die am Ende von der Realität eingeholt werden. Dass das ausgerechnet in diesem Rahmen passiert, unterstreicht den Kontrast noch: Auf der einen Seite die rauschhaften Galadinner, auf der anderen das namenlose Elend.
Man kann Dorothea noch nicht einmal wirklich böse sein, trotz ihres kaum nachahmungswürdigen Verhaltens. Denn man spürt, dass sie sich das alles anders gewünscht hätte. Dass sie tatsächlich etwas bewegen wollte, es eigentlich immer noch will. Als Psychogramm einer Frau, deren Leben aus den Händen gleitet, funktioniert ganz gut. Maria Furtwängler, sonst ja eher als TV-Kommissarin unterwegs, spielt hier überzeugend die High-Society-Wohltäterin zwischen Engelsflügel und Kater danach, die sich mal als Grande Dame aufführt, vor allem gegenüber der naiven Aurelie, mal aber auch nicht mehr als eine Witzfigur ist, die längst den Boden unter den Füßen verloren hat, ohne es sich eingestehen zu wollen. Vielleicht auch ohne es zu merken.
Das Wetter in geschlossenen Räumen gewinnt hierbei sogar erstaunlich universelle Qualitäten: Eigentlich spielt es bei der Frau im mittleren Alter keine große Rolle, ob sie nun in einem vom Bomben zerstörten Entwicklungsland scheitert oder in einer westlichen Großstadt, ihre Sehnsucht nach Relevanz, danach begehrt zu werden – noch dazu von einem deutlich jüngeren Mann –, die kennt keine Ländergrenzen. Sicher wäre es schön gewesen, das Szenario nicht ganz so stiefmütterlich zu behandeln, die vereinzelt aufgeworfenen Fragen zur Entwicklungshilfe konsequenter zu verfolgen. Und auch die Figur hätte ein bisschen mehr Eigenentwicklung zeigen dürfen. Lohnenswert ist der Ausflug in das Krisengebiet aber auch so.
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