(„Boychoir“ directed by François Girard, 2014)
Stet (Garrett Wareing) hat all das, was andere sich niemals wünschen würden. Die alkoholsüchtige Mutter, den Vater, den er niemals kennenlernen durfte, und die Hänseleien in der Schule. Er wird zum Einzelgänger und Unruhestifter. Als seine Mutter bei einem Autounfall stirbt, bekommt er seinen Vater zum ersten Mal zu Gesicht, der ihn prompt auf eine renommierte Chorschule schickt, um sein verborgenes Gesangstalent zu fördern. Dort trifft er auf den perfektionistischen Chorleiter Carvelle (Dustin Hoffman), der ihm die Möglichkeit gibt, sein Leben in den Griff zu bekommen. Zwischen elitären Vorstadtknaben und disziplinierten Gesangsübungen findet Stet seine Stimme und den Willen, es allen und vor allem sich selbst beweisen zu wollen.
Sei es Gesang, Tanz, Schlagzeug oder ein anderer künstlerischer Beitrag. Sobald sich Kunst und Film vermischen, sollte es auch von Professionellen durchgeführt und begleitet werden. Talentierte Schauspieler und passionierte Regisseure verhalfen schon Pitch Perfect, Step Up und dem oscarnominierten Whiplash zu weiträumigem Erfolg. François Girard, seines Zeichens Regisseur des Films, stand bereits bei dem Genie Award gekrönten 32 Variationen über Glenn Gould hinter der Kamera. Seine Liebe zur Musik merkt man ihm in früheren Werken bereits an. Dazu zählen Die rote Violine als auch seine Arbeiten als Opernregisseur. Wirft man einen Blick auf die Cast des Films, wäre da zum einen Dustin Hoffman (Die Reifeprüfung), der begeisternder Fan der Musik und des Pianos ist. Kevin McHale spielt in der amerikanischen Erfolgsserie Glee den querschnittsgelähmten Artie und kann auf seine jahrelange Gesangserfahrung zurückgreifen. Der rote Faden erstreckt sich durch die ganze Cast und alle Schalter scheinen auf Erfolg zu stehen.
Doch Talent ist nicht alles und so müssen die stillen Momente zwischen den Gesangseinlagen mit Leben und Geschichte gefüllt werden. Der Chor – Stimmen des Herzens greift hierbei auf eine simple Weise der Geschichtenerzählung zurück. Eine Person mit Talent, gefangen in einem rauen Alltag, wird von einem Mentor an das Potenzial seiner Fähigkeiten heran geführt – Happy End. Man kennt es zur Genüge, und somit geht mit dem Film eine gewisse Vorhersehbarkeit einher. Alles scheint schon einmal da gewesen. Es fällt schwer, überrascht oder gar neugierig auf den weiteren Verlauf der Geschichte zu werden. Alles und jeder erinnert an eine Szene oder eine Person aus einem Film, den man bereits gesehen hat. Es mangelt an Kreativität und Innovation. Dann gibt es allerdings die gesangliche Untermalung, die immer wieder für Gänsehaut-Momente sorgt. Junge Knaben kurz vor dem Stimmbruch und Seitenscheitel mögen vielleicht Ziel jeden Teilzeit-Schlägers sein. Das Talent und die Kunst muss man den Beteiligten dennoch anerkennen. Die Darbietungen bleiben dabei nicht den Auftritten und Gesangsstunden des Chors vorbehalten. Sie werden unter Dialoge und Handlungsstränge gelegt, wodurch der Gesang einen beinahe omnipräsenten Status erhält. Diese Momente stellen die absoluten Highlights des Films dar.
Der Chor – Stimmen des Herzens bietet wenig und das in Massen. Eine müde Story, die durchschaubarer nicht sein könnte. Charaktere nach Schema F, bei denen es schwer fällt, einen Sympathieträger zu finden. Dennoch funktioniert diese Art von Film und ist oftmals sogar gewünscht. Der Zuschauer will die Erfolgsgeschichte, den Underdog, das Drama. Als Kritiker muss man sich darüber hinwegsetzen und hinter den Vorhang schauen. Geschmückt wird das karge Film-Skelett mit ausgezeichneten Gesangseinlagen des Chors. Diese sind auch als Soundtrack verfügbar, auf die man eventuell an Stelle des eigentlichen Film zurückgreifen sollte.
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