(„Ein Atem“ directed by Christian Zübert, 2015)
4 Euro pro Stunde, mehr Verdienst hat Griechenland nicht zu bieten, gerade den Jungen fehlt es an einer echten Perspektive. Für Elena (Chara Mata Giannatou) steht deshalb fest, dass sie ihrem Heimatland den Rücken kehren und in Deutschland neu anfangen muss – gegen den Willen ihres arbeitslosen Freundes. Aber auch das vermeintliche Paradies wartet mit diversen Tücken auf sie, aufgrund ihrer Schwangerschaft kann Elena den geplanten Job in einer Bar nicht annehmen. Um Geld für ihren Schwangerschaftsabbruch zu verdienen, heuert sie ausgerechnet als Kindermädchen an – stößt bei dem wohlhabenden Paar Tessa (Jördis Triebel) und Jan (Benjamin Sadler) jedoch schnell an ihre Grenzen.
Eines muss man Christian Zübert ja lassen: Der Regisseur und Drehbuchautor hat ein Gespür für aktuelle traurige Themen. Erst ließ er in Hin und weg einen sterbenskranken Mann seinem Selbstmord entgegenradeln, nun nimmt er sich in Ein Atem der Griechenlandkrise an. Unter anderem. Tatsächlich ist es bei seinem neuesten Film gar nicht so ganz einfach zu sagen, wovon er denn nun genau handeln will, zu vielfältig sind die Themen, zu groß ist auch der Wunsch, mehreren Perspektiven gerecht zu werden.
„Elenas Reise“ lautet die erste Hälfte des Films, „Tessas Reise“ die zweite. Das ist durchaus wörtlich zu verstehen, denn beide Frauen müssen das vertraute Heim verlassen, um an einem anderen Ort etwas zu finden. Es geht aber auch um Selbstfindung, um Selbstbehauptung. Beide versuchen sich von ihren jeweiligen Männern zu emanzipieren, Elena von ihrem faulen Machofreund, der jede Verantwortung ablehnt, Tessa von ihrem gönnerhaften Gatten, der Frauen lieber daheim am Herd sieht. Beide scheitern sie jedoch an dieser Aufgabe, sind überfordert, brauchen bei allem Tatendrang am Ende doch die Hilfe von anderen. Ein Atem, das ist die bittere Geschichte zweier zum Scheitern verurteilter Frauen.
Aber es ist eben auch die Geschichte einer deutsch-griechischen Begegnung. Die Rollen scheinen dabei anfangs klar verteilt: Elena ist das nette Mädchen von nebenan, das unbedingt arbeiten will, dem Bürokratie und das Leben keine Chance lassen. Tessa wiederum hat alles, ist aber dennoch – oder deshalb? – unzufrieden, ist ständig nur am Meckern, sucht sich Probleme, wo sie nur kann. Würde Ein Atem an der Stelle enden, die Figurenzeichnung wäre ziemlich einseitig. Doch zur Hälfte wechselt Zübert eben die Perspektive, erzählt einiges aus der Sicht von Tessa, lässt sie dadurch zu einem Menschen werden, den man vielleicht nicht unbedingt mag, den man aber doch irgendwo nachvollziehen kann.
Den Perspektivenwechsel und die damit einhergehende Vertiefung von Tessa ist interessant, insgesamt auch gelungen – nicht zuletzt durch die ohne Rücksicht auf Verluste aufspielende Jördis Triebel. Wäre man nicht auf die Idee gekommen, die alte Geschichte völlig aufzugeben und eine neue anzufangen, der Film hätte ein sehr gutes Charakterstück werden können. Aber Ein Atem, das sind eigentlich zwei Filme in einem, wenn nicht sogar mehr. Die Begegnung der beiden Frauen, der Gegensatz Deutschland-Griechenland, beides spielt später keine wirkliche Rolle mehr. Bewegende Momente gibt es auch dann noch, vielleicht sogar mehr als in der ersten Hälfte. Aber sie gehen auf Kosten der Glaubwürdigkeit, die mehr und mehr missachtet wird, und gipfeln in einem melodramatisch-konstruierten Finale. Schade um die insgesamt besser geglückten, leisen Szenen zuvor und um die interessanten Themen, die hier nie so ausgearbeitet werden, wie sie es eigentlich verdient hätten.
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