(„Hannibal – Season 3“, 2015)
Nachdem er seine Verfolger niedergestochen, aufgeschlitzt und aus dem Fenster geworfen hat, ist der Serienkiller Hannibal Lecter (Mads Mikkelsen) zusammen mit seiner Psychiaterin Bedelia Du Maurier (Gillian Anderson) auf der Flucht. Doch auch in seiner neuen Heimat Florenz kann es der charismatische Ästhet nicht lassen, sein Umfeld zu ermorden und verspeisen. Während er so die Aufmerksamkeit der lokalen Polizei auf sich zieht, sind ihm seine einstigen Mistreiter längst auf der Spur: Will Graham (Hugh Dancy), Dr. Alana Bloom (Caroline Dhavernas) und Special Agent Jack Crawford (Laurence Fishburne) haben unabhängig voneinander die Witterung aufgenommen und begeben sich auf eine Suche nach dem Monster – jedoch aus den unterschiedlichsten Gründen.
So gemein wie die zweite Staffel von Hannibal hat wohl selten eine Serie einen Zwischenstopp eingelegt: Nicht nur dass einem im furiosen Finale vor lauter Twists ganz schwindlig wurde, es ließ darüber hinaus auch offen, wer von den Protagonisten überhaupt noch übrig ist, wer in dem Massaker sein Leben lassen musste. Ein bisschen lässt einen Serienschöpfer Bryan Fuller dann auch in der neuen Staffel zappeln. Erst nach und nach wird klar, was seinerzeit beim blutigen Aufeinandertreffen wirklich passiert ist.
Oder vielleicht doch nicht? Was ist real, was eine Einbildung? Das war von Anfang an, schon in Staffel 1, oft nicht sofort ersichtlich, immer wieder verlor sich Hannibal in bizarren Traumsequenzen. Staffel 3 macht genau da weiter, verstärkt diesen Aspekt sogar noch: Im Serieneinerlei ist die Geschichte um den vornehmen Kannibalen aufgrund ihrer bedingungslosen Bekennung zum Kunstvollen einmalig. Zeitlupen, Großaufnahmen, seltsame Symbole, Metamorphosen, dazu eine Musik, die mal elegisch, dann wieder brutal ist, hier gibt es so viel zu sehen und zu bestaunen, dass Hannibal mehr einem Drogentrip gleicht, weniger einer traditionellen Geschichte.
Das hängt aber auch damit zusammen, dass die Handlung stark zusammengestaucht wurde. Schon Staffel 2 verabschiedete sich zunehmend von den faszinierend-verstörenden Fällen des Serienauftakts, interessierte sich mehr für das Verhältnis zwischen den Figuren. In Staffel 3 wurden die Krimiaspekte dann völlig ad acta gelegt. Erst zum Schluss, wenn Richard Armitage als mordender Psychopath „Roter Drache“ auftaucht, darf die Serie zu ihren Anfängen zurückfinden, noch einmal die Daumenschrauben anziehen und den Terror auf die Zuschauer loslassen, mit dem es hier einst losging.
Ansonsten ist Hannibal eher ruhig, streckenweise auch ein wenig langatmig. So schön das Zwischenspiel von Mads Mikkelsen und Gillian Anderson, die hier eine deutlich größere Rolle als zuvor einnehmen darf, auch ist, es kommt dabei zu keiner Entwicklung. Ein wenig einfallslos gestaltet sich auch die Jagd auf den brutalen Verbrecher. Es hat seinen Reiz, sogar eine gewisse Komik, wie hier verschiedene Parteien ihre Kreise um Hannibal ziehen – neben Will, Alana und Jack sind da auch noch der auf Rache sinnende Erbe Mason Verger (Joe Anderson), Chiyohs frühere Bedienste Chiyoh (Tao Okamoto) und der italienische Polizist Rinaldo Pazzi (Fortunato Cerlino), in der zweiten Hälfte mischt Dr. Frederick Chilton (Raúl Esparza) noch kräftig mit. Immer wieder begegnen sich die Leute, mal als Freunde, mal als Feinde. Aber wann auch immer es mal brenzlig für einen wird, kommt wie aus dem Nichts einer der anderen herbei, es bleibt beim Status Quo.
Und das ist auf Dauer dann doch ein bisschen unbefriedigend, Hannibal bedient sich zu oft eines billigen Deus-ex-Machina-Tricks, was sich negativ auf die Spannung ausübt. Auch an anderen Stellen später machte man es sich ein bisschen leicht mit der Geschichte, erklärt vieles nicht so wirklich, bemüht sich auch erst gar nicht mehr um echte Überraschungen. Der leichte Abwärtstrend, der sich in Staffel 2 angekündigt hat, wird hier also fortgesetzt. Dennoch: Ihren Reiz hat die Serie noch immer, weshalb es schade ist, dass letztes Jahr ihr Aus verkündet wurde. Aber dafür dürfen wir uns stattdessen auf Fullers neue Serie freuen, eine Adaption von Neil Gaimans „American Gods“, welche hoffentlich Ende 2016 startet. Und wenn Hannibal oder auch zuvor Dead Like Me und Pushing Daisies eines gezeigt haben, dann dass der Amerikaner eine der ungewöhnlichsten Visionen der Serienlandschaft sein eigen nennt. Eine, bei der es sich immer lohnt, einmal einzuschalten, sich verzaubern zu lassen.
(Anzeige)