(„Louder Than Bombs“ directed by Joachim Trier, 2014)
Drei Jahre nach ihrem Unfalltod soll eine Ausstellung an das Werk und Leben der renommierten Kriegsfotografin Isabelle Reed (Isabelle Huppert) erinnern. Das zwingt auch die seither entfremdete Familie wieder zusammenzukommen: Witwer Gene (Gabriel Byrne) und der mitten in der Pubertät steckende Sohn Conrad (Devin Druid) haben sich seit Längerem nichts mehr zu sagen, der ältere Sohn Jonah (Jesse Eisenberg) hat inzwischen das Elternhaus verlassen und ist selbst Vater geworden. Als ein Begleitartikel zur Ausstellung droht, unangenehme Dinge über Isabelle zur Sprache zu bringen, steht Gene vor der schweren Aufgabe, Conrad die Wahrheit über ihr damaliges Leben zu sagen.
Auch wenn es der Titel und die Besetzung nicht vermuten lassen, seinen Ursprung hat Louder Than Bombs in Skandinavien, genauer bei dem Norweger Joachim Trier, der hier sein englischsprachiges Debüt abgibt. Und wie wir es aus Dramen aus dem hohen Norden gewohnt sind, werden bei Familienzusammenführungen keine Gefangenen gemacht. Ehebruch, Selbstmord, Selbstlügen, der Regisseur und Ko-Autor fährt – mit Ausnahme von Missbrauch – so ziemlich alles auf, was man bei einem derartigen Film unterbringen kann.
Das wird ihm mit der Zeit dann auch zum Verhängnis, da dieser Mischmasch der verschiedensten Konflikte zu zwei entgegengesetzten Problem führt: Es ist gleichzeitig zu viel und zu wenig. Warum braucht es beispielsweise Genes Kollegin Hannah (Amy Ryan), mit der er eine Affäre hat und die ausgerechnet Conrads Lehrerin ist? Dass das Verhältnis zwischen Vater und Sohn zerrüttet ist, wurde anfangs bereits ausführlich gezeigt, in deutlich gelungeneren Szenen auch noch. Dem Ganzen immer noch eins draufzusetzen, auch das Leben von Isabelle nachträglich mit Geheimnissen zu überfrachten, das schadet am Ende nur der Glaubwürdigkeit.
An anderen Stellen hätte man hingegen gerne mehr erfahren, Trier verliert sich in Anspielungen, ohne diesen etwas Nachhaltiges mit auf den Weg zu geben. Am deutlichsten wird das in der Person von Jonah. Dass dieser ebenfalls nicht glücklich mit seinem Leben ist, wird früh verraten, wir sehen ihn weinen und nach Auswegen suchen. Aber Auswegen wovon? Was genau sein Problem ist, das hält uns Trier vor, überlässt dem Zuschauer die Aufgabe, dem Ganzen Sinn zu geben. Einige seiner Szenen hätte man dann auch ohne Schwierigkeiten ganz aus dem Film streichen können, ohne dass dies Folgen gehabt hätte.
Ohnehin drängt sich immer mal wieder der Eindruck auf, dass es Trier weniger um die Geschichte an sich ging, sondern um deren Inszenierung. So verzichtet der Norweger auf jede Form der Chronologie, lässt Gegenwart und Vergangenheit miteinander verschmelzen, viele Szenen haben auch etwas Traumartiges an sich. Zu sehen gibt es in den Momenten eine Menge, Louder Than Bombs ist mit seinen Flashbacks, Zeitlupen und Detailaufnahmen schon sehr kunstvoll. Aber eben auch etwas künstlich. Dabei hätte es das gar nicht gebraucht, zumindest nicht in der Häufung. Denn viele der stärksten Momente hat das Drama, wenn es auf Spielereien und finstere Geheimnisse verzichtet, sondern einfach seine Protagonisten aufeinander loslässt. Wenn Jonah versucht, seinen zu einem Rätsel gewordenen kleinen Bruder zu verstehen, seine Texte liest, mit ihm Musik hört. Und die leider eher spärlichen Auftritte von Isabelle Huppert, die im Zentrum von allem steht und doch fern ist, lassen einen ohnehin die gelegentlichen Irrwege des Films verzeihen. Am Ende ist Louder Than Bombs dann auch trotz seiner Probleme ein empfehlenswertes Drama über die Schwierigkeiten des täglichen Umgangs miteinander, über kleine und große Verletzungen und über die zwischenmenschliche Sprachlosigkeit.
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