Maus und Sohn

(„The Mouse and His Child“ directed by Charles Swenson and Fred Wolf, 1977)

Maus und SohnNach dem Arbeitsleben (Anomalisa) und den Freuden des Studiums (The Tatami Galaxy) drehen wir in Teil 91 unseres fortlaufenden Animationsspecials die Zeit noch etwas weiter zurück und landen so bei einem Film, der so manches Kind seinerzeit traumatisiert zurückgelassen haben soll.

„Wer sind wir? Was tun wir hier?“ Als ein Vater und sein Sohn nachts an einem ihnen fremden Ort erwachen, ist die Verwirrung groß. Sie seien Spielzeugmäuse, erfahren sie von den anderen Figuren im Spielzeugladen, und ihr Schicksal wäre es, eines Tages von jemandem gekauft zu werden. Als sie jedoch nachts vom Tisch fallen und dabei beschädigt werden, ist der Traum von fröhlichen Kinderzimmern vorbei. Stattdessen landen die beiden auf dem Müllplatz, müssen sich fortan nicht nur in der Welt da draußen zurechtfinden, sondern auch einen Weg finden, wie sie den Aufziehschlüssel loswerden, der im Rücken des Vaters steckt.

Spielzeug, das zum Leben erwacht, wenn kein Mensch da ist, da werden die meisten erst einmal an Toy Story und die Fortsetzungen denken, ältere Semester vielleicht auch an Luzie, der Schrecken der Straße. Maus & Sohn ist hingegen allenfalls ein Geheimtipp, obwohl der Film schon ein paar Jahre zuvor erschienen war und mit Russel Hobans „Der Mäusevater und sein Sohn“ auch eine leidlich bekannte Romanvorlage hatte. Aber so ganz vergleichbar ist das Werk von 1977 eh nicht, visuell nicht – hier war noch klassisches Zeichentrick angesagt –, vor allem aber inhaltlich nicht.

Was passiert eigentlich mit Spielzeug, das keiner mehr braucht oder will? Toy Story 2 schnitt das Thema in seinen traurigeren Momenten an, ohne dem Zuschauer aber zu viel zumuten zu wollen. Maus & Sohn scheinen solche Befindlichkeiten fremd zu sein. Der Film beginnt damit, dass die beiden auf dem Müll landen. Schlimmer noch: Andere Spielzeugkollegen werden auseinandergerissen, verschwinden für immer im Abgrund. Allgemein ist die Geschichte ungewöhnlich düster, teilweise auch brutal. Es wird zwar nie explizit, aber so manche Figur – aus der Tier- wie aus der Spielzeugwelt – wird hier getötet, der Rest von einer überaus fiesen Ratte versklavt.

Dazu passen die trostlosen Bilder. Maus & Sohn beginnt mit einer Nachtszene, entsprechend dunkel und ein bisschen unheimlich ist alles. Dass auch das Leben auf einem Müllberg keinen schönen Anblick bietet, ist ebenfalls verständlich. „Kommt noch“, möchte man denken, schließlich ist das hier ja eigentlich ein Kinderfilm. „Kommt nicht“, lautet dann aber die Erkenntnis. Selbst wenn es Tag wird, wenn es Frühling wird, das Warten auf Besserung wird nicht belohnt, hier wird es nie so lebensfroh und bejahend, wie man es von einem solchen Film erwarten sollte.

Aber darum geht es eben auch in Maus & Sohn: um einen Vater und ein Kind, die sich ein besseres Leben wünschen, deren Erfahrungen in der realen Welt jedoch viel furchtbarer sind, als sie es sich im Spielzeugladen noch erträumt haben. Die ausgenutzt, gejagt und fast getötet werden. Kein Wunder also, wenn Kommentare zum Film, die man im Internet findet, oft davon sprechen, wie verstörend die erste Begegnung mit den beiden Spielzeugmäusen war. An manchen Stellen wird es sogar vergleichsweise anspruchsvoll, wenn das Duo bei seinen Reisen und der Suche nach Unabhängigkeit recht existenzielle Beobachtungen anstellen, sich über die Welt ihre Gedanken machen. Über das Leben. Zum Ende hin wird es dann aber doch wieder spürbar konventioneller, schließlich brauchte es ein Happy End, um das Publikum nicht zu verschrecken.

Ein bisschen holprig ist das schon, im Vergleich zum Buch wohl vereinfacht, es fehlt einem zwischendurch auch ein wenig das Gefühl, dass hier tatsächlich etwas vorangeht. Eigentlich begegnen die beiden Mäuse nur ständig irgendwelchen neuen Tieren, die von grausam bis zu skurril reichen – ein Frosch, der als Wahrsager arbeitet? Und es geht weiter, meistens im Kreis, denn eine andere Bewegung ist den aneinander geketteten Protagonisten durch ihre Bauweise nicht vergönnt. Ganz rund ist das Vergnügen nicht, visuell auch recht einfach gestrickt, aber doch ein gutes Beispiel für einen etwas erwachseneren Kinderfilm à la Unten am Fluss oder Die Hunde sind los, der seinen Zuschauern auch ein bisschen was zum Nachdenken mit auf den Weg geben will. Wer noch etwas in diese Richtung sucht, sei es für sich oder auch den Nachwuchs, der sollte einmal diesen zwei kleinen Spielzeugmäusen Gesellschaft leisten.



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Obwohl eigentlich für Kinder gedacht, ist die Geschichte um zwei Spielzeugmäuse auf der Suche nach einem besseren Leben visuell wie inhaltlich überraschend düster. Zum Ende wird „Maus & Sohn“ dann doch konventionell, zwischendurch fehlt auch das Gefühl für eine echte Entwicklung. Ein Geheimtipp für Freunde etwas nachdenklicher Zeichentrickfilme ist die Buchverfilmung aber auch so.
7
von 10