(„Mahō Shōjo Madoka Magika“ directed by Akiyuki Shinbo, 2011)
Es ist ein Tag, wie ihn die junge Schülerin Madoka Kaname so schnell nicht wieder vergessen wird: Erst wird sie aus einem seltsamen Traum geweckt, dann entpuppt sich das Mädchen aus ihrem Traum als neue Mitschülerin Homura Akemi, zum Schluss wird sie von einem magischen, katzenähnlichen Wesen um Hilfe gerufen. Kyubey heißt es und verspricht, sie und ihre Freundinnen zu Magical Girls zu machen, um so die bösen Hexen zu bekämpfen, welche ihr Unwesen treiben. Superkräfte haben und die Welt retten, davon hat sie schon immer geträumt! Und dann ist es ausgerechnet Homura, die genau das nicht zulassen will, ohne ihr zu sagen warum.
Je populärer ein Filmgenre gerade ist, umso mehr Leute versuchen bekanntlich von dem Erfolg zu profitieren. Und kaum ein Genre ist innerhalb des Animebereiches populärer als jenes der Magical Girls: Seitdem Sailor Moon im Osten wie im Westen zu einem Aushängeschild seines Mediums wurde, ist die Auswahl an kleinen, süßen Mädchen mit Superkräften groß, die trotz ihrer Unschuld und Unerfahrenheit und wider aller Wahrscheinlichkeit die Welt vor großem Unheil schützen. Je populärer ein Filmgenre ist, umso mehr finden sich aber auch, die eben das Bewährte auseinandernehmen wollen. Während Kill la Kill und Samurai Flamenco hierbei jedoch auf das Mittel der Parodie setzen, sollte Puella Magi Madoka Magica vielmehr dramatisch sein.
Das wird nicht bei jedem Vorfreude wecken, denn wenn es eines gibt, was Anime sicher nicht brauchen, dann noch mehr Drama. Sieht man sich dann auch noch die Designs der Figuren an, wird so mancher die Serie bereits abgeschrieben haben, noch bevor sie angefangen hat: Die Hauptperson hat pinkfarbene Haare, die Mädchen haben riesige Kulleraugen – selbst für Animeverhältnisse –, Kyubey bringt eine Überdosis Niedlichkeit mit ins Spiel. Aber all das ist Teil des Plans, den Zuschauer in die Irre zu führen, hinter der Bonbonoptik warten Abgründe und tatsächliche Tragödien, oft sogar der Tod. Das geht zwar nicht ganz so weit wie bei Higurashi – When They Cry, wo Kindchenschema auf blutigen Horror trifft, hat mit Genrekonventionen aber auffallend wenig am Hut.
Eine dieser gebrochenen Konventionen: Hauptfigur Madoka ist wieder allen Erwartens kein Magical Girl, selbst wenn sie das Potenzial dazu hat. Stattdessen erzählen Regisseur Akiyuki Shinbo (Nisekoi, Dance in the Vampire Bund) und Drehbuchautor Gen Urobuchi (Psycho-Pass, Expelled from Paradise) davon, wie sehr das Mädchen hin und hergerissen, ob sie nun eins werden soll oder nicht. Anders als üblich geht das Schicksal einer Weltenretterin nicht zwangsweise gut aus, das Leben eines Magical Girls ist in Madoka Magica untrennbar mit Leid verbunden: Für jedes Licht, das sie in die Welt bringen, kommt ebenso viel Dunkelheit, Hoffnung und Verzweiflung müssen immer im Gleichgewicht bleiben. Man muss nicht wirklich so weit gehen, das Ganze als Dekonstruktion des Genres zu bezeichnen, dafür werden doch noch zu viele Klischees beibehalten, auch Kitsch schleicht sich zuweilen in die Geschichte hinein. Dennoch: Wer die ersten Folgen übersteht, den erwarten hier diverse interessante Twists, eine unerwartete Schwerpunktverschiebung und überraschend spannende moralische Fragen.
Überraschend ist auch die Optik aus dem Haus Shaft (Bakemonogatari), teilweise zumindest. Über weite Strecken entspricht Madoka Magica nur dem üblichen TV-Standard, hebt sich weder durch Designs, Animationen oder Hintergründe sonderlich hervor. Bis mal wieder ein Kampf gegen eine Hexe ansteht. Ähnlich zu Black Rock Shooter landen die Heldinnen dann in einer surrealen Parallelwelt, die am ehesten mit den Zwischensequenzen aus Monty Python’s Flying Circus zu vergleichen sind, nur deutlich düsterer. Da es an diesen Stellen auch tatsächlich aufs Ganze geht, man als Zuschauer nicht sagen kann, wie der Ausgang des Kampfes ist, übertrifft die Serie ihre Genrekollegen in Hinsicht auf den gebotenen Nervenkitzel mit Leichtigkeit. Nicht unverdient wurde der Anime in der Heimat dann auch ein großer Verkaufserfolg, zog mehrere Mangas, Videospiele und Filme nach sich, darunter auch Rebellion, der demnächst ebenso wie die Blu-ray-Fassung der Serie in den deutschen Läden stehen wird.
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