Da muss man schon ehrlich sein: Bei den Viehzüchtern Brigitte (Isabelle Huppert) und Xavier (Jean-Pierre Darroussin) ist schon lange die Luft raus, man ist eher aus Gewohnheit zusammen, weniger aus Leidenschaft. Wie sehr sich Brigitte nach etwas Neuem und Aufregendem sehnt, wird ihr jedoch erst bewusst, als sie auf einer Party den jungen hübschen Pariser Stan (Pio Marmaï) kennenlernt, der recht ungeniert mit ihr flirtet. Unter einem Vorwand beschließt sie ihm schließlich hinterherzureisen und ihr Glück einfach zu versuchen. Dabei trifft sie aber nicht nur ihren charmanten Verehrer wieder, sondern auch den dänischen Geschäftsmann Jesper (Michael Nyqvist) der ebenfalls Interesse an ihr zeigt.
Die Routine als Gefängnis
Routine kann schon etwas Schönes sein, einem Halt geben, vielleicht auch eine Identität. Sie kann aber auch ein Gefängnis sein. Und von eben einem solchen erzählt Sehnsucht nach Paris. Dabei ist es nicht einmal so, dass es Brigitte wirklich schlecht ginge, sie muss in ihrem Leben auf nichts Existenzielles verzichten, wird geliebt, hat genügend Geld, ist bis auf einen hartnäckigen Ausschlag auch gesund. Manchmal jedoch reicht es nicht, einfach nur leben zu können. Das Gefühl dürfte jeder schon einmal gehabt haben, die Eintönigkeit, die einen befällt, wenn man immer wieder dasselbe zu tun hat – wie eben bei einer Viehzucht. Dafür muss man nicht einmal seine Midlife-Crisis erreicht haben. Tatsächlich gelingt es dem Regisseur und Drehbuchautor Marc Fitoussi sehr schön, eben das Universelle an Brigittes Situation zu zeigen, ihr Schicksal für den Zuschauer erfühlbar zu machen, unabhängig vom eigenen Alter.
Dabei braucht der Franzose nicht einmal große Worte, es reicht ihm, Brigitte in verschiedenen Situationen zu zeigen, ganz beiläufig, fast schon zufällig. Wenn Xavier sich kulinarischen Experimenten verweigert, ein junger Mann mit ihr spricht anstatt mit der hübschen Gleichaltrigen, dann erübrigen sich große Reden, selbst ohne große Fantasie lässt sich leicht erraten, was in der Dame vorgeht. Und auch warum. Das ist natürlich auch der gewohnt wunderbar aufspielen Isabelle Huppert zu verdanken, die als Frau auf der Suche nach dem Glück alle Sympathien zufliegen, ohne dabei idealisiert zu werden. Auch Xavier taugt nicht zum echten Antagonisten. Er ist ein bisschen träge geworden, was sein Eheleben angeht, ist Neuem gegenüber wenig aufgeschlossen, aber kein schlechter Kerl. Keiner, dem man etwas Schlechtes wünschen würde.
Schön heiter und tröstlich
Trotz der größeren Lebenskrise und der partnerschaftlichen Probleme, der Ton in Sehnsucht nach Paris ist erstaunlich heiter. Besonders Brigittes spätere Annäherungsversuche an Stan und die gleichzeitig damit einhergehenden Zweifel – was mach ich hier eigentlich? – führen immer wieder zu chaotisch-komischen Situationen. Und beinahe tröstlichen, schließlich, so lehrt uns der Film, darf man auch im reiferen Alter herrlich unsouverän und ungeschickt in Liebesdingen agieren. Ein paar gefühlvollere, versöhnliche Momente schleichen sich dann aber doch noch in den Film, zum Ende hin, aber auch schon vorher. Erwartbar? Vermutlich, aber doch eben auch schön und in sich stimmig. Hier sollen keine großen Revolutionen angestoßen werden, die Geschichte von Brigitte und Xavier ist eine, wie sie das Leben schreibt. Eine ruhige Geschichte, eine der Gesten und der Blicke. Und einer, der man gern dabei zuhört, wie sie einen daran erinnert, sich selbst nie zu sehr in der Routine zu verlieren – so sehr diese auch manchmal locken mag.
OT: „La Ritournelle“
Land: Frankreich
Jahr: 2014
Regie: Marc Fitoussi
Drehbuch: Sylvie Dauvillier, Marc Fitoussi
Musik: Tim Gane, Sean O’Hagan
Kamera: Agnès Godard
Besetzung: Isabelle Huppert, Jean-Pierre Darroussin, Michael Nyqvist, Pio Marmaï
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