(„Musarañas“ directed by Juan Fernando Andrés, Esteban Roel, 2014)
Die Mutter ist tot, der Vater im Krieg verschollen. Und so lag es nun an Montse (Macarena Gómez), sich um ihre kleine Schwester (Nadia de Santiago) zu kümmern. Das tat sie auch, aufopferungsvoll sogar. Während die Jüngere nun an der Schwelle zum Erwachsenenleben steht, Arbeit und die große Liebe sucht, hat Montse längst den Kontakt zu der Welt nach draußen verloren, kann aufgrund ihrer Phobien die Wohnung auch nicht mehr verlassen. Erst als ihr Nachbar Carlos (Hugo Silva) verletzt vor ihrer Tür steht und sie ihn bei sich aufnimmt, wagt sie den Weg zurück in die Normalität.
Normalität? Das war bei den Gewinnern des Fresh Blood Awards, der Auszeichnung für den besten Nachwuchsfilm auf dem Fantasy Filmfest, eher ein Fremdwort. Ob es die Ökofabel Beasts of the Southern Wild war, das Schwarz-weiß-Märchen Blancanieves oder letztes Jahr die Haunted-House-Komödie Housebound, sie alle gingen für das Festival ungewöhnliche Wege oder kombinierten bekannte Elemente auf eine neue Art und Weise. Im Vergleich dazu ist Shrew’s Nest, der 2015 die Konkurrenz auf die Plätze verwies, doch deutlich konventioneller. So lange das Ergebnis stimmt, kann einem das egal sein. Aber das ist bei dem Langfilmdebüt der Regisseure Juan Fernando Andrés und Esteban Roel nur teilweise der Fall.
Die Ausgangssituation ist dabei nicht die schlechteste: Agoraphobie, die Angst vor weiten Plätzen, welche Menschen dazu zwingen kann, in ihrer Wohnung gefangen zu sein, das war schon immer eine praktische und zugleich spannende Methode, den Schauplatz einzuschränken. Nahezu der gesamte Film spielt dann auch innerhalb des Zuhauses der beiden Schwestern, nur selten dürfen wir stellvertretend einen Schritt vor die Tür setzen. Dass die dunkle Wohnung nicht unbedingt ein Hort des Glücks war, spürt der Zuschauer schon in den ersten Minuten, womit der atmosphärische Grundstein für das Folgende gelegt wird.
Was dieses „Folgende“ sein soll, da war man sich hier aber offensichtlich uneinig. So wird das Thema der Agoraphobie beispielsweise kaum genutzt. Wurde in Copykill oder Citadel die psychische Störung zum Aufbau einer Bedrohungskulisse verwendet, ist sie hier vielmehr Ausdruck der seelischen Verfassung von Montse. Als Horrorthriller ist das weniger spannend, als Drama dafür umso mehr. Dabei entpuppt sich Macarena Gómez als echte Offenbarung, die als religiöse und nervöse Altjungfer so ziemlich jede Szene an sich reißt – trotz der wirkungsvollen Auftritte von Luis Tosar als despotischem Vater, der auch nach seinem Tod die ältere Tochter heimsucht.
Hätte sich Shrew’s Nest darauf konzentriert, den geistigen Zerfall und die Konflikte mit dem Umfeld in den Vordergrund gestellt, der spanische Film hätte tatsächlich grandios werden können. Nur war man eben der Meinung, auch das Horrorpublikum mitnehmen zu müssen. Was also tun? Die Geschichte an sich bot sich dafür nicht so wirklich an, die an Misery erinnernden Elemente sind einfach zu unentschlossen, funktionieren in dem Kontext kaum. Versucht wird es dennoch, was den Film zunehmend unsinniger macht, die zum Teil sehr vorhersehbaren Wendungen wecken den Reflex, nur noch mit den Augen rollen zu wollen. Gesetzt den Fall, dass diese zu dem Zeitpunkt überhaupt noch auf den Fernseher gerichtet sind, denn zum Ende hin wird es absurd blutig. Das Genrepublikum wird sich über die Gewaltexzesse freuen, zumal dies die einzigen Szenen sind, die auch tatsächlich das Label „Horror“ verdienen. Schade ist es trotzdem, dass die Geschichte am Ende so wenig hergibt, Gómez’ Leistungen kein würdigeres Umfeld gefunden haben.
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