(„The Danish Girl“ directed by Tom Hooper, 2015)
Das dänische Künstlerpaar Einar (Eddie Redmayne) und Gerda Wegener (Alicia Vikander) führt in den 1920ern eine glückliche Ehe in Kopenhagen. Sie lieben sich, harmonieren wunderbar miteinander, nichts scheint diese Beziehung gefährden zu können. Bis Einar eines Tages als Model einspringt und für Gerda in Frauenkleidung posiert. Eine einmalige Sache hätte es sein sollen, beide haben dabei aber so großen Spaß, dass diese Rollenspiele zu einem festen Bestandteil ihres Lebens werden. Vor allem Einar liebt seine neue Rolle als Lili, entdeckt er auf diese Weise doch ungekannte Seiten an sich. Bis er sich eingestehen muss, dass Lili mehr ist für ihn, dass er eigentlich lieber eine Frau wäre – zum Entsetzen von Gerda.
Bis zur Oscarverleihung ist zwar noch eine Weile hin, aber nicht wenige spekulieren schon jetzt, ob Eddie Redmayne das Kunststück gelingt, nach Die Entdeckung der Unendlichkeit das zweite Jahr in Folge als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet zu werden. Das mag nicht allzu abwechslungsreich sein, sagt aber doch einiges über die Wandlungsfähigkeit des Engländers aus. Und über seinen Mut zu ungewöhnlichen Rollen. Trotz eines mit prominenten Darstellern nicht unbedingt armen Ensembles – Ben Whishaw, Amber Heard, Matthias Schoenaerts und Sebastian Koch sind ebenfalls dabei –, an Redmayne führt kein Weg vorbei, er dominiert das Geschehen, degradiert seine Kollegen zu bloßen Hintergrunddetails.
Beeindruckend dabei ist vor allem, wie ihm das geradezu beiläufig gelingt. Sein Einar ist eher schüchtern, meidet den Mittelpunkt, drückt sich vor allem durch kleine Gesten und verstohlene Blicke aus. Es sind eben keine großen Szenen, mit denen er in Erinnerung bleibt, sondern mit den vielen kleinen, die seine allmähliche Verwandlung in die selbstbewusste Lili zeigen. Die Suche nach der eigenen Identität, sie geht hier eng mit der Geschlechterfrage einher. Anzeichen, dass die Geburt in dem falschen Körper ein schon länger anhaltendes Problem in seinem Leben war, vor der Initialzündung als Model für Gerda, sind hingegen eher rar gesät.
So wirklich interessiert sich die Verfilmung von David Ebershoffs gleichnamigen Roman dann auch gar nicht für das Innere, es ist das Äußere, das hier zählt. Das ist dann auch wirklich sehr schön, mit tollen Kulissen, tollen Darstellern, tollen Kostümen. Etwas zu schön. Die an und für sich spannende Wechselbeziehung zu Gerda findet kaum Platz in The Danish Girl, die um ihr Leben Betrogene fügt sich sehr schnell in ihr Schicksal und steht Einar/Lili bis zum Schluss fast bedingungslos bei. Einen wirklichen Charakter entwickelt sie dabei nicht, so wie die meisten hier nicht wirklich etwas zu sagen haben. Das jedoch macht es schwer, Anteilnahme zu zeigen, bewegend wird das an und für sich tragische Schicksal kaum. Dass das deutlich besser geht, zeigte Xavier Dolan in Laurence Anyways, bei dem die Geschlechtsumwandlung nur ein Teil der komplexen Beziehung zweier Menschen ausmachte und die Figuren über ihre Funktion hinaus real werden ließ.
So weit will der auf gefällige Kostümfilme wie The King’s Speech oder Les Misérables abonnierte Regisseur Tom Hooper jedoch nicht gehen, er verlässt sich darauf, dass die Situation als solche ausreicht. Das fällt vor allem im letzten Drittel auf, wenn die Identitätssuche abgeschlossen ist, an ihre Stelle Kitsch, theatralische Reden und aufdringliche Musik treten. Nur manchmal, wenn die historische Komponente noch ins Spiel kommt, die mangelnde Akzeptanz zu jener Zeit thematisiert wird, wird es noch einmal interessant. Ansonsten lebt The Danish Girl wie kürzlich auch Carol davon, dass sich große Namen an den LGBT-Bereich wagen und das Ganze in ein edles Äußeres packen. Und das ist dann doch ein bisschen wenig, da gibt es in dem Segment deutlich spannendere Geschichten zu erzählen.
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