(„The Revenant“ directed by Alejandro González Iñárritu, 2015)
Der Trapper Hugh Glass (Leonardo DiCaprio) begleitet eine Expedition im frühen 19. Jahrhundert, die den Missouri River entlang führt. Nach einem Indianerangriff ist es nur noch eine kleine Gruppe, angeführt von Captain Andrew Henry (Domhnall Gleeson), die ums Überleben kämpft. Darunter befinden sich ebenfalls Glass, sein Sohn Hawk (Forrest Goodluck), der raue und unangenehme John Fitzgerald (Tom Hardy) und der junge Jim Bridger (Will Poulter). Der Weg ist weit und gefährlich und die Bedingungen werden durch den hereinbrechenden Winter keinesfalls vereinfacht. Das Schicksal aller Beteiligten scheint besiegelt, als Glass von einem Grizzly angegriffen und schwer verletzt wird. Viel Zeit zum Überleben gibt man ihm nicht mehr, doch zurücklassen will man ihn zunächst auch nicht. Doch mit den Strapazen eines beschwerlichen Weges vor und den angriffslustigen Indianer hinter sich, entschließt man sich, den Verletzten nicht länger durch die amerikanische Wildnis zu tragen. Womit jedoch niemand gerechnet hat: Glass wird überleben. Und er möchte an dem Mann Rache nehmen, der ihn sterbend zurückgelassen hat und ihm das genommen hat, was ihm am Wichtigsten war.
Gerade einmal fünf Spielfilme hat Alejandro González Iñárritu in den letzten 14 Jahres gedreht. Für seinen letzten und bisher besten Film Birdman (oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit) durfte er gleich drei Oscars entgegennehmen. Für jemanden, der sich normalerweise immer drei bis vier Jahre Zeit lässt, bis sein neuestes Werk in die Kinos kommt, scheint doch gerade das der perfekte Grund dafür zu sein, eine künstlerische Schaffenspause einzulegen und diese vielleicht noch einmal zu verlängern. Doch nicht so für den mexikanischen Ausnahmeregisseur. Ganz im Gegenteil, nur ein Jahr nach seinem, mit insgesamt vier Goldjungen ausgezeichneten Film, kann man bereits seinen neuesten Geniestreich auf den hiesigen Leinwänden bewundern. Und diese beiden Werke könnten unterschiedlicher kaum sein. War Birdman ein schwarzhumoriger Blick hinter die Kulissen des Showgeschäfts, so ist The Revenant – Der Rückkehrer eine Mischung aus Rachewestern und Survival-Drama. Man findet sich hier in einer ganz anderen Zeit, an einem ganz anderen Ort wieder und wird mit einer gänzlich anderen Thematik konfrontiert. Man könnte fast meinen, Iñárritu wollte einen Film machen, der so wenig wie möglich mit seinem letzten Werk zu tun hat.
Ob es nun überraschend ist, dass er trotz dieses radikalen Wechsels oder auch gerade deswegen wieder zu begeistern weiß, sei mal dahin gestellt. Fakt ist: Iñárritu liefert ab! Erneut! Großartig! Das Lob hinter der Kamera soll und darf ihm aber nicht allein gebühren, denn dort wirkte einmal mehr Kameramann Emmanuel Lubezki mit. Dass er was von seinem Handwerk versteht wurde der breiten Masse spätestens klar, als er zuletzt zweimal den Oscar für die beste Kamera bekam. Und auch für The Revenant hätte er diese Auszeichnung definitiv verdient! Er fängt nicht nur einzigartige und zugleich wunderschöne Bilder ein, sondern hält auch, um den Realismus zu wahren, in den gewalttätigeren Szenen oftmals drauf. Das Echtheitsgefühlt lässt sich aber auch an vielen anderen Szenen festmachen. Beispielsweise, wenn man die Figuren auf ihrem Weg begleitet und es scheint, als würde man sich direkt neben ihnen befinden. Von einem scheint Lubezki allerdings immer noch nicht sehr viel zu halten, nämlich von Schnitten. Durch seine kleinen Plansequenzen fühlt es sich nicht so an, als würde man einen Film sehen, sondern als würde man einem realen Geschehen beiwohnen. Man spürt die Gefahr, die die Charaktere umgibt, als wäre man selber von ihr bedroht. Es ist eine eisige und tödliche Atmosphäre, die die gesamte Zeit über nahezu greifbar scheint.
Doch eine großartige Kameraführung kann keinen Zuschauer für zweieinhalb Stunden unterhalten. Dafür braucht es dann auch die entsprechenden Schauspieler, über die The Revenant aber glücklicherweise verfügt. Zu Beginn wird er noch von Nebencharakteren wie Tom Hardy, Domhnall Gleeson, Will Poulter oder auch Paul Anderson getragen, ehe Leonardo DiCaprio mit zunehmender Spieldauer mehr Screentime bekommt und einen Großteil dieses monumental anmutenden Frühwestern alleine schultert. Doch wenn es nicht einmal dieser gestandene Hollywoodstar schafft, sich hier mit seiner grandiosen Leistung alleine in den Vordergrund zu spielen, dann merkt man erst einmal, was für eine geballte schauspielerische Qualität hier vorhanden ist. Jeder der Darsteller ruft zweifelsohne seine Bestleistung ab, was jedoch auch nötig, da die einzelnen Charaktere innerhalb des Films nicht besonders tiefgründig sind, was aber andererseits auch in das hier gezeichnete Bild dieser Zeit passt. Die Figuren werden einzig durch ihr Handeln und durch die Menschen, die sie vor der Kamera darstellen, interessant.
So rückt die Handlung gegenüber den Darstellern und des ganzen Drumherums in den Hintergrund. Die Grundgeschichte ist klar, simpel, verläuft relativ geradlinig und bedarf eigentlich keiner größeren Erklärungen. Für viele mag die Handlung zu einfach und zu langsam erzählt sein, doch hätte man hier größere Ausschweifungen vorgenommen, könnte man sich als Zuschauer nicht in Ruhe auf all die anderen Stärken dieses Films konzentrieren und man würde zu viel verpassen. Beispielsweise die Inszenierung, in der The Revenant nahezu einzigartig ist. Es wurde nicht nur an Originalschauplätzen und größtenteils ohne visuelle Effekte gedreht, sondern auch ohne künstliches Licht, was sich wiederum positiv auf die schon angesprochene Atmosphäre und Realitätsnähe auswirkt.
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