(„Toy Story 2“ directed by John Lasseter, Ash Brannon and Lee Unkrich, 1999)
Was soll nur aus ihm werden? Als Woodys rechter Arm einen kleinen Riss bekommt und Andy die Cowboypuppe daher nicht mit ins Summercamp nimmt, glaubt der Zurückgelassene schon, sein letztes Stündlein habe geschlagen. Ausrangiert wie alle alten Spielzeuge eben. Doch einer würde ihn auch in diesem Zustand noch mit Kusshand nehmen: der Spielzeugsammler Al. Dass Woody nicht zum Verkauf steht, interessiert den nicht weiter, nimmt ihn stattdessen einfach heimlich mit. Während die Figur in seinem neuen Zwangszuhause völlig neue Erfahrungen macht, begibt sich der Rest von Andys Kinderzimmerbevölkerung auf eine waghalsige Mission, den Entführten zurückzubekommen.
Das dritte große Pixar-Werk, und schon wieder ging nicht alles glatt. Eigentlich hätte Toy Story 2 eine Direct-to-DVD-Fortsetzung des Kassenschlagers Toy Story werden sollen, so wie es Disney für viele seiner erfolgreichen Animationsfilme macht. Die sind billiger zu produzieren und zusammen mit den bereits etablierten Figuren eine echte Geldmaschine. Bei Toy Story 2 wollte das aber nicht so recht funktionieren, zu teuer war der Film, obwohl zuerst nicht das Originalteam dran saß – das war noch mit Das große Krabbeln beschäftigt –, sondern ein anderes. Und wohl auch zu gut, um ihm dem Kinopublikum vorzuenthalten. Als nun der Startschuss gefallen war, doch wieder die große Leinwand erobern zu wollen, war es nun Pixar, die nicht mit dem Ergebnis zufrieden waren, holten die alten Kreativen wieder mit ins Boot und schmissen in nur wenigen Monaten alles noch einmal komplett um.
Wie schon bei Toy Story merkt man dem fertigen Film die turbulente Vorgeschichte nicht an, dafür verlässt er sich auch zu sehr auf bekannte Muster. Die überraschend menschliche Angst, nicht mehr gebraucht zu werden, wurde bereits durch das erste Aufeinandertreffen von Woody und Buzz Lightyear auf die Spielsachen projiziert. Das Motiv der Rettungsaktion war ebenfalls im ersten Teil etabliert, wird hier aber noch einmal ausgebaut. Und das gilt dann auch für Toy Story 2 als Gesamtes: Der Neuigkeitsbonus lebendiger Spielzeuge fehlt dieses Mal, der Überraschungseffekt ist weg. Dafür geht man dieses Mal mehr in die Tiefe.
Teilweise wird es dabei sogar erstaunlich düster. War Woodys Problem in Toy Story mehr das einer verletzten Eitelkeit, dürfen die Sorgen diesmal existenzieller Natur sein. Einsamkeit, wenn man seinen Lebensabend vergessen auf einem Regal, unter dem Bett oder einer Kiste verbringt. Der (Spielzeug-)Tod. Natürlich wird hier am Ende dennoch alles gut ausgehen, schließlich waren und sind Kinder hier die wichtigere Zielgruppe. Aber auch Erwachsene dürfen zuschauen, sich ein bisschen an die eigene Kindheit erinnern, über die diversen Anspielungen lachen, vor allem aber über die groteske Rettungsmission. Die ist nicht nur größer und bringt die Truppe an mehr Orte – was der Abwechslung zugutekommt –, es sind auch mehr von Andys Figuren daran beteiligt.
Die waren bereits im Vorgänger der Höhepunkt gewesen; dass sie nun eine etwas größere Rolle spielen dürfen, hat dem Film deshalb alles andere als geschadet. Im Vergleich dazu sind die Neuankömmlinge weniger interessant geworden. Sie fügen sich zwar gut ins Ensemble ein, sie sind als Spielzeug Woody jedoch zu ähnlich, um das Geschehen wirklich zu bereichern – schließlich lebt Toy Story davon, möglichst viele unterschiedliche Spielsachen auf einem Haufen zu haben. Aber auch wenn teilweise der „echte“ Fortschritt fehlt, kann Toy Story 2 mühelos mit seinem Vorgänger mithalten, ist insgesamt durch die größere Abwechslung und die emotionaleren Momente sogar noch etwas stärker. Technisch besser ist er ohnehin, da hat sich in den vier Jahren seit Teil eins schon einiges getan. Wunderwerke sollte man bei einem über 15 Jahre alten Film naturgemäß dennoch nicht erwarten, dafür ist das Drumherum dann doch für heutige Maßstäbe relativ schlicht, einzelne Elemente wie der Hund von Andys Familie einfach nicht mehr zeitgemäß. Dem Charme und Witz hat die Zeit jedoch kaum geschadet, das Pixar-Werk macht heute noch (fast) genauso viel Spaß wie damals.
(Anzeige)