(„Coconut Hero“ directed by Florian Cossen, 2015)
Einer von hundert Menschen, die sich in den Kopf schießen, überleben die Tat. Der 16-jährige Mike (Alex Ozerov) ist ein solcher, der seinem freudlosen Leben ein Ende setzen wollte, dabei jedoch scheitert. Ganz folgenlos ist der Versuch jedoch nicht. Nicht nur, dass sein Vater Frank (Sebastian Schipper) aus der Versenkung auftaucht – zum Leidwesen von Mikes Mutter Cynthia (Krista Bridges). Der Teenager ist zudem verpflichtet, an Therapiestunden teilzunehmen, wo er die lebenslustige Miranda (Bea Santos) kennenlernt. Einen Hoffnungsschimmer gibt es dann aber doch für den Lebensmüden: Während der Untersuchungen im Krankenhaus wird ein Gehirntumor bei ihm festgestellt, ohne Operation bleiben ihm nur wenige Monate. Und da Mike diesen Befund vor seinen Eltern verheimlicht, ist ein Ende der Misere schon absehbar.
Sommerzeit ist Selbstmordzeit? Etwas komisch war es schon, als vergangenen August mit einer Woche Abstand About A Girl und Coconut Hero gleich zwei deutsche Tragikomödien in die Kinos kamen, die mit einer gescheiterten Selbsttötung eines Jugendlichen beginnen. Die beiden „Helden“ könnten dabei unterschiedlicher nicht sein. War die weibliche Variante ungemein scharfzüngig, ließ sich von nichts und niemandem etwas gefallen, ist Mike ein sanftmütiger Träumer. Ein Außenseiter, die nirgends richtig reinpasst, von seiner ständig nörgelnden Mutter gepiesackt wird, der von seinem Vater damals nicht gewollt war, der sich sogar von fünf Jahre jüngeren Mitschülern unterdrücken lässt.
Wehleidig ist der Film dennoch nicht, stattdessen dürfen sich alle die Hände reiben, die an schwarzem Humor Gefallen finden. Schon die Ausgangslage, dass ein Jugendlicher sein Todesurteil als Geschenk von Jesus empfindet – zu dem hatte er vorher gebetet –, dürfte nicht bei jedem gut ankommen. Gleiches gilt für die leicht satirische Darstellung des wohlmeinenden Pfarrers, der mit einem Dauerlächeln Mikes Interesse für Gott und Jesus völlig falsch deutet. Vor allem aber ist da die heitere Stimmung, die so gar nicht zu dem schweren Thema passen mag, die sich nicht auf die sonst übliche Betroffenheitsschiene begibt. Aber darum geht es eben auch bei der Indie-Komödie: Hier wird zwar immer wieder auf Klischees und Genrestandards hingesteuert, im entscheidenden Moment dann aber doch anders abgebogen.
Das Ergebnis ist oft witzig, etwa bei Mikes etwas sonderbaren Freizeitbeschäftigungen oder einer kleinen Musiknummer, die – wäre da nicht das Thema – aus einem Bollywoodstreifen hätte stammen können. Andere Szenen sind dafür berührend, ohne sich dem Kitsch oder übertriebenem Melodram hinzugeben. Regisseur Florian Cossen und Drehbuchautorin Elena von Saucken gelingt es hierbei wunderbar, das Leben aus Sicht eines Teenagers zu zeigen, der mit allem und jeden hadert, dem einfach die Perspektive fehlt, der Hilfe von außen braucht, um sich am Ende zu finden. Nachwuchsdarsteller Alex Ozerov stellt sich dabei als Glücksgriff heraus, passt mit seiner zurückgenommen, introvertierten Spielweise zu einem Film, der bewusst leise und unspektakulär sein will.
Dass die Coming-of-Age-Tragikomödie letztendlich doch noch einen lebensbejahenden Ton anschlägt, seinen Biss zwischenzeitlich gegen eine Verträumtheit tauscht, ist dabei nicht einmal Verrat an der Sache, denn auch hier werden Konventionen in schrullig-rührenden Szenen begraben. Nein, das Leben ist nicht immer schön, kann einem übel mitspielen, ist manchmal auch verdammt unfair. Aber es lassen sich doch auch immer wieder Gründe finden weiterzumachen. Es ist dann auch mit einem lachenden und einem weinenden Auge, das einen Coconut Hero wieder zurück in die Realität schickt. Und das ist in einem Umfeld, das oft weder das eine, noch das andere schafft, ein kleiner Segen.
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