(„Demon“ directed by Marcin Wrona, 2015)
Eigens für seine Hochzeit reist Piotr (Itay Tiran) aus England an, um Zaneta (Agnieszka Zulewska) im ländlichen Polen zu heiraten. Während er nachts über das abgelegene Grundstück spaziert, welches die beiden von seinem zukünftigen Schwiegervater Zgmunt (Andrzej Grabowski) geschenkt bekommen haben, entdeckt er dabei Gebeine, die – so scheint es zumindest – früher einem Menschen gehört haben. Aber vielleicht auch nicht, eigentlich will Piotr von seinem Fund nichts wissen, spricht auch mit den anderen nicht darüber. Je weiter die Hochzeitsfeierlichkeiten fortschreiten, umso seltsamer wird jedoch das Verhalten des jungen Bräutigams, bis auch die Familie zugeben muss, dass da etwas ganz und gar nicht stimmt …
Sich auf einem Filmfestival sein Programm zusammenzustellen, das ist oft nicht ganz einfach – zu groß ist die Auswahl, zu gering die eigene Zeit. Wer sich beispielsweise bei den letztjährigen Fantasy Filmfest White Nights nicht alle zehn Streifen anschauen wollte, dem blieb nichts anderes übrig, als anhand der kurzen Beschreibungen im Programmheft die Auswahl zusammenzustauchen. Zumindest auf Papier war Demon da ein idealer Streichkandidat: Die Bilder sind farblos, die Darsteller unbekannt, die Geschichte um eine dämonische Hochzeit hörte sich nach belanglosem Trash an. Und dann wäre da noch der Titel, der so ziemlich das Langweiligste ist, was das Horrorgenre hergibt. Umso größer war die Überraschung für all die, die aus welchen Gründen auch immer am Ende doch im Kinosaal saßen, denn Demon gehörte nicht nur zu den stärksten Beiträgen des winterlichen Festivalablegers, sondern ließ auch einen Großteil des Hauptfestivals mühelos hinter sich.
Atmosphärisch geht es los, wenn Piotr immer tiefer ins Landesinnere vordringt: Es braucht schon eine Fähre, um zu dem Dorf zu kommen. Für einen Horrorfilm ist das nicht die verkehrteste Voraussetzung, denn abgelegene Orte, die man aus eigener Kraft nicht mehr verlassen kann, sind wie dafür geschaffen, Protagonisten in alptraumhafte Geschichten zu verstricken. Dazu gibt es menschenleere Landschaften, eine nicht unbedingt harmonische Musik. Und eben die farbentleerten Bilder. Was im Heft noch so wenig ansprechend aussah, stellt sich am Ende als Stärke heraus, unterstreichen sie doch die Trostlosigkeit und das Gefühl, dass hier etwas aus der Welt und aus der Zeit gefallen ist.
Auch wenn länger eigentlich nicht wirklich etwas passiert, Demon bis zum Schluss auch nicht explizit wird, nimmt einen die israelisch-polnische Produktion mit ihrer unheilvollen Geschichte gefangen, lässt einen neugierig werden, was hier noch alles kommen mag. Der Höhepunkt ist dabei der komplette Mittelteil, auch wenn dieser anders ausfällt, als man im Vorfeld erwarten konnte. Absolut großartig ist neben der umherwirbelnden, mit eigenartigen Perspektiven arbeitende Kamera vor allem die Leistung von Itay Tiran. Der israelische Schauspieler verliert sich in seiner Rolle als besessener Bräutigam zusehend und beherrscht dabei die Bandbreite von furchteinflößend bis komisch in erschreckend nahtlosen Übergängen. Überhaupt ist Demon überraschend komisch. „Nur nicht das Gesicht verlieren“, lautet das Motto von Zgmunt, der weniger Angst vor teuflischen Kräften hat, sondern vielmehr vor den irdischen Reaktionen hierauf. Wenn er versucht, die Hochzeitsfeier beisammenzuhalten – mit viel Alkohol, versteht sich – und die Gäste bloß nichts von den Vorkommnissen wissen zu lassen, bleibt bei den Zuschauern diesseits der Leinwand kein Auge trocken.
Zu schade nur, dass dem auf einem Theaterstück und jüdischen Legenden basierenden Film kein ebenso starkes Ende vergönnt ist, er viel zu abrupt abbricht, vieles nicht wirklich erklärt. Natürlich muss ein Horrorbeitrag das nicht unbedingt, schön wäre es aber doch gewesen, am Ende nicht ganz so sehr mit den Trümmern alleingelassen zu werden. Trotz des unbefriedigenden Ausklangs ist der in Deutschland unter dem Titel Dibbuk – Eine Hochzeit in Polen gestartete Genremix aber ein beeindruckendes Vermächtnis des polnischen Regisseurs und Koautors Marcin Wrona, der sich letztes Jahr tragischerweise das Leben nahm, noch während sein Film auf Festivals lief. Immerhin erinnert er einen in seinem letzten Werk aber daran, dass hinter einer harmlosen Fassade das Grauen lauern kann. Und hinter einem unscheinbaren Äußeren die Offenbarung.
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