(„Duke of Burgundy“ directed by Peter Strickland, 2014)
Jeden Tag tritt die junge Evelyn (Chiara D‘Anna) den Dienst bei der resoluten Schmetterlingsforscherin Cynthia (Sidse Babett Knudsen) an. Die ist auf ihrem Gebiet durchaus bewandert, der Umgang mit Menschen liegt ihr jedoch weniger. Schon die Begrüßung ihrer jungen Aushilfe ist nicht mehr als ein Vorwurf, viele weitere werden noch folgen. Darüber, dass Evelyn schlampig ist, faul und ungehorsam. Schlechte Eigenschaften, die es nicht nur zu tadeln, sondern auch zu bestrafen gilt.
Duke of Burgundy ist einer dieser Filme, bei denen man sich und anderen keinen großen Gefallen tut, wenn man zu viel von der Handlung preisgibt. Was zunächst klar erscheint, erscheint nach und nach in einem anderen Licht. Schon der Titel führt in die Irre: Der angesprochene Herr ist keiner, sondern eine Schmetterlingsart. Genauer kommt während der gesamten Geschichte kein einziger Mann vor. Ein Insekt zum Protagonisten zu erklären, das verweist nicht nur auf die Schmetterlingsthematik, welche in dem Film immer wieder aufgegriffen wird. Es symbolisiert auch eine Geschichte, in der vieles nicht das ist, was es scheint, in der sich alles verwandelt.
Das dürfte für niemanden eine wirkliche Überraschung sein, der schon den letzten Film von Regisseur und Drehbuchautor Peter Strickland gesehen hat. In Berberian Sound Studio ließ er einen Tontechniker mithilfe von Obst, Gemüse und anderen unerwarteten Objekten die Soundkulisse für einen Horrorfilm kreieren, verwischte dabei die Grenzen zwischen Realität und Traum. Duke of Burgundy knüpft nahtlos hieran an. Auch bei dem dritten Film des Engländers herrscht eine unheimliche, ins Surreale hineingleitende Atmosphäre, hinter der die Handlung nur die zweite Geige spielt. Und erneut gelingt ihm damit ein Fest für die Sinne, welches sich aus Bildern und Musik zusammensetzt, die mal betören, dann wieder verstören, ein völlig unabhängig von Raum und Zeit zu existieren scheinendes Fest. Hintergrundinformationen zu der Geschichte oder den Figuren gibt es kaum, das von Ranken bewachsene Haus könnte auch aus einem Märchen stammen.
Nur dass es eben keins mit strahlenden Rittern und adretten Prinzessinnen ist, hier nicht alle glücklich bis an ihr Lebensende vereint sind. Stattdessen wird tief in die Abgründe der menschlichen Seele geschaut: Machtspiele und Domination, Sehnsüchte und Fantasien, Identitätssuche und Selbstaufgabe. Strickland verurteilt dabei jedoch nicht, ist zwar Voyeur, ohne aber seine Protagonisten ausschlachten zu wollen. Wie beim Vorgänger, der an die 70er Jahre Giallo-Horrorfilme erinnerte, dabei aber nie explizit wurde, so ist auch die Hommage an die Sexfilme jener Zeit am Ende eher zurückhaltend. Es ist mehr eine dunkel knisternde Erotik, eine im Verborgenen spielende Zärtlichkeit, die dem Landhaus innewohnt, keine bare Fleischeslust.
Und doch ist Stricklands neuester Film deutlich befriedigender als der vorherige. Das liegt zum einen an der spannenderen Erzählweise, die nicht strikt chronologisch ist, sondern munter hin und her springt. Einige Szenen sehen wir doppelt, jedoch leicht verändert, erfahren beim zweiten Mal beispielweise, was zuvor geschehen ist, und erhalten so einen völlig neuen Kontext. Auf diese Weise gibt es trotz einer überschaubaren Handlung spürbar mehr Entwicklung. Außerdem krankte das kunstvolle Berberian Sound Studio daran, auf etwas vorzubereiten, was letztendlich nie eintrat. Bei Duke of Burgundy hingegen ist der Weg das Ziel, das Porträt der beiden voneinander abhängigen Frauen für sich bereits Inhalt genug. Von einer herkömmlichen Romanze ist man trotz allem weit entfernt, nicht nur weil die Protagonistinnen alles andere als ideal sind, sondern weil auch sich der Alltag in seiner ganzen Hässlichkeit zeigen darf – Rückenschmerzen und nächtliches Schnarchen inklusive. Man muss sich hierauf schon einlassen können, diese Mischung aus Realismus und Surrealismus, aus Kunstvollem und Abgründigem. Dann wird man mit einem Film belohnt, wie er einem nur selten vorkommt und der erneut darauf neugierig macht, was wir von Strickland in Zukunft noch alles zu erwarten haben.
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