Midnight Special
© Warner Bros

Midnight Special

(„Midnight Special“ directed by Jeff Nichols, 2016)

„Midnight Special“ läuft ab 18. Februar im Kino

Wo steckt nur Alton Meyer (Jaeden Lieberher)? Nicht nur das Fernsehen berichtet ohne Unterbrechung über den von seinem Vater Roy (Michael Shannon) entführten Jungen, das ganze Land ist den beiden und Mitentführer Lucas (Joel Edgerton) auf den Spuren. Allen voran Altons Ziehvater, der Sektenführer Calvin (Sam Shepard), tut alles dafür, um das mit ungewöhnlichen Kräften versehene Kind zurückzuholen. Aber auch das FBI hat ein großes Interesse daran, den Jungen zu schnappen, selbst die NASA schickt ihren Spezialisten Paul Sevier (Adam Driver) los, um sich an der Jagd zu beteiligen.

Wenn das Publikum das erste Mal Alton zu sehen bekommt, dann ist da eigentlich nicht viel zu sehen: Die Fenster sind mit Pappe zugeklebt, Alton sitzt unter einer Decke. Und selbst wenn diese abgezogen wird, bleibt der Junge unter großen Kopfhörern und einer Schwimmbrille verborgen, liest dort seelenruhig mithilfe einer Taschenlampe ein Comicbuch. Mehr braucht Regisseur und Drehbuchautor Jeff Nichols (Take Shelter, Mud) nicht, um die Atmosphäre und Erzählweise seines vierten Films vorzugeben. Hier liegt vieles im Dunkeln begraben, wer eine Schicht abbaut, findet darunter nur noch mehr Rätsel. Und am Ende die Sehnsucht nach Normalität.

Es sind dann auch diese beiden Pole, die in Midnight Special kontinuierlich im Wettstreit sind: Die übernatürlichen, mysteriösen Elemente auf der einen Seite, die persönlichen auf der anderen. Vor allem in der ersten Hälfte dominieren dabei erstere, Nichols versteht es, die Spannung hochzuhalten, indem er sich lange Zeit nur auf Andeutungen stützt, nicht verrät, weshalb das halbe Land Alton unbedingt will. Die eine oder andere falsche Fährte ist auch dabei, darunter die, dass sich der vermeintliche Entführer als eigentlicher Vater entpuppt, der zusammen mit Altons Mutter Sarah (Kirsten Dunst) dem Jungen nichts anhaben, sondern vielmehr ihn beschützen will. Wie Vater und Sohn bei der als „Farm“ bezeichneten Sekte gelandet sind, wird übrigens nicht verraten, ebenso wenig, wie das derzeitige Verhältnis zwischen Roy und Sarah aussieht. Aber auch das ist typisch für den Film: Vieles wird nicht wirklich erklärt, Nichols überlässt es dem Zuschauer, seine Schlüsse zu ziehen.

Das ist gleichzeitig Stärke und Schwäche von Midnight Special. Auf der einen Seite überzeugt der Film durch seine dichte, düstere Mystery-Atmosphäre, bietet eine echte Alternative zu den glattgebügelten Science-Fiction-Abenteuern, die wir sonst im Kino zu sehen bekommen und deren Geschichten völlig hinter den Bilderfluten verschwinden. Schade ist es aber schon, dass viele interessante Aspekte kaum ausgeführt werden, Nebenhandlungen im Nichts verschwinden, man teilweise nicht einmal versteht, was hier die einzelnen Protagonisten überhaupt antreibt. Vor allem aber an dem Ende werden sich die Geister scheiden, das kaum versucht, Antworten auf die vielen Fragen zu geben.

Aber das übernatürliche Szenario ist zu dem Zeitpunkt eh eher zweitrangig geworden, an seine Stelle treten die persönlichen Beziehungen zwischen den Figuren. Dieser gefühlvollere Ansatz erinnert an vergangene Werke von Steven Spielberg, auch die wuchtige, bedrohlich dröhnende Musik lässt einen manchmal glauben, zurück in den 80ern zu sein. Das große Mainstreampublikum versucht Nichols dabei jedoch nicht einzufangen, was sowohl an dem Fehlen großer dramatischer Szenen wie auch an dem vergleichbar geringen Budget unterhalb der 20-Millionen-Dollar-Grenze zu sehen ist. Er appelliert auch anders als J. J. Abrams bei Super 8 nicht annähernd so stark an das Nostalgiebedürfnis seines Publikums. Am Ende ist Midnight Special dann doch zu eigenbrötlerisch und zurückgezogen, genau wie sein kleiner Held. Und das macht beide zu etwas ganz Besonderem, trotz des manchmal frustrierenden Inhalts ist das Science-Fiction-Thrillerdrama eine der interessantesten Genreübungen der letzten Zeit.



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„Midnight Special“ spielt mit Andeutungen und Rätsel, hält durch fehlende Antworten lange die Spannung hoch. Manche wird das jedoch frustrieren, gerade zum Ende hin, einige Aspekte werden unterwegs auch sträflichst vernachlässigt. Die starke Atmosphäre, die persönliche Note der Geschichte und die leichten Retro-Anleihen machen das Science-Fiction-Thrillerdrama aber trotz seiner Schwächen zu einem sehenswerten Genrevertreter.
8
von 10