Nichts passiert
© movienet

Nichts passiert

(„Nichts passiert“ directed by Micha Lewinsky, 2015)

Nichts passiert
„Nichts passiert“ läuft ab 11. Februar im Kino

Ein schöner gemeinsamer Skiurlaub mit der Familie, mehr als das hatte Thomas (Devid Striesow) eigentlich gar nicht gewollt. Der will jedoch so rein gar nicht funktionieren. Seine Frau Martina (Maren Eggert) will lieber an ihrem Buch schreiben, Tochter Jenny (Lotte Becker) hat sowieso keine Lust. Und dann wäre da noch Sarah (Annina Walt) mit von der Partie, die Tochter von Thomas’ Chef, die nur deshalb dabei ist, weil Thomas es nie schafft, nein zu sagen. Auch dann nicht, als die beiden Teenagerinnen gleich am ersten Abend auf eine Party wollen. Hier nicht standhaft geblieben zu sein, wird den Familienvater aber bis zum Rest des Urlaubs verfolgen, denn die Feier endet damit, dass Sarah tränenüberströmt erzählt, der Dorfjunge Severin (Max Hubacher) hätte sie vergewaltigt – ausgerechnet der Sohn eines langjährigen Bekannten und Vermieters des Chalets. Und das bringt Thomas wiederum in Bedrängnis, der Verantwortung für das Mädchen trägt, davon jedoch überfordert ist, eigentlich alles gar nicht so recht wahrhaben, niemandem etwas sagen will.

Eines muss man Thomas ja lassen: Es ist bemerkenswert, mit welcher Kontinuität er falsche Entscheidungen trifft, er sich vor solchen drückt oder durch haarsträubende Geschichten vergangene Entscheidungen zu verdecken versucht. Ohne dabei erfolgreich zu sein, wohlgemerkt, je weiter Nichts passiert voranschreitet, umso größer ist das Chaos. Normalerweise ist das ein eindeutiges Kennzeichen einer Komödie, schließlich macht es doch immer wieder Spaß, anderen Leuten dabei zuzusehen, wie ihr Leben immer absurder und undurchsichtiger wird. Und auch hier gibt es immer mal wieder einen Anlass zum Lachen, mindestens aber zum Schmunzeln – wäre da nur nicht das ernste Thema und die damit einhergehende Gefahr, eine Vergewaltigung zu bagatellisieren.

Diese Gefahr wird aber zunehmend geringer, denn der Schweizer Regisseur und Drehbuchautor Micha Lewinsky bleibt an dieser Stelle nicht stehen, sondern baut eine Reihe weiterer Konfliktfelder ein – mit Thomas’ Chef, dem Vermieter, der Tochter, der eigenen Frau. Gerade im Mittelteil gelingt es Lewinsky hervorragend, mal in großen Szenen, dann wieder mit kleinen Details die Nöte seines Protagonisten herauszuarbeiten, dessen immer kurz vorm Scheitern stehenden Eiertanz. Ein bisschen leid kann einem der Familienvater dann auch tun, der für alle nur das Beste will – so auch für sich –, der aber ständig mit Neuem konfrontiert wird, ohne dass mal etwas klappen will. Man darf ihn aber auch ein bisschen für seine Vogel-Strauß-Taktik verachten, seine mangelnde Durchsetzungskraft, seine Beteuerung, dass alles in Ordnung, nicht passiert ist.

Das alles steht und fällt mit Devid Striesow, der hier hervorragend mit seiner Rolle verschmilzt, sehr zurückgenommen und gerade deshalb glaubhaft den überforderten, etwas naiven Pechvogel gibt. Während Nichts passiert so über weite Strecken von einer wunderbaren Natürlichkeit geprägt ist, die den Zuschauer geradezu dazu auffordert, innerlich Stellung zu beziehen, überschlägt sich die Geschichte zum Ende hin ein wenig sehr. Was zunächst etwas zögerlich zwischen Komödie und Drama wechselte, entscheidet sich plötzlich für einen Thriller. Das passt jedoch nicht so recht zu dem zuvor angeschlagenen Ton und führt auch dazu, dass sich der Film selbst vor Entscheidungen drückt – ganz wie sein Protagonist. Das ist einerseits natürlich passend, gleichzeitig aber auch ein wenig unbefriedigend, zudem kaum noch glaubwürdig. Den insgesamt starken Eindruck der Schweizer Produktion kann das aber nur wenig trüben, Nichts passiert ist ein Geheimtipp für die Freunde problematischer, personenbezogener Geschichten.



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Die Tochter des Chefs wird vom Sohn eines langjährigen Freundes vergewaltigt, während sie in der eigenen Obhut ist – schlimmer kann es nicht kommen. Auf eine weitgehend wunderbar natürliche Weise zeigt „Nichts passiert“, wie ein durchsetzungs- und entscheidungsschwacher Familienvater mit der Situation überfordert ist. Nur zum Schluss wird es etwas übertrieben.
7
von 10