(„Shingeki no Bahamut Genesis“ directed by Keiichi Satō, 2014)
Wenn es nach Favaro Leone ginge, er wäre Amira am liebsten nie begegnet. Zugegeben, die junge Dame ist bildhübsch, und einen Kuss konnte der Kopfgeldjäger auch von ihr ergattern. Aber das zu einem hohen Preis: Ihm wuchs dafür ein Teufelsschwanz. Erst wenn er sie wie versprochen nach Helhiem bringt, würde sie den Fluch von ihm nehmen – so die schlechte Nachricht. Die noch schlechtere: Für Favaros Widersacher Kaisar Lidfald steht damit endgültig fest, dass er aus dem Weg geräumt werden muss. Aber auch ganze Heerscharen von Dämonen und Engeln sind nun hinter den beiden her, denn Amira hat etwas in ihrem Besitz, das das Schicksal von ganz Mistarcia entscheidend ändern könnte.
Versuche, bekannte Videospiele auch in Film- und Fernsehadaptionen unters Volk zu bringen, gab es im Laufe der Zeit ja einige – sei es als Realvariante (Silent Hill, Super Mario Bros.) oder als animierte Version (Bayonetta, Devil May Cry). Und warum auch nicht? Heiße Actionszenen und epische Geschichten, das funktioniert bekanntermaßen auch als passiver Zuschauer ganz gut. Dass ein Handyspiel ein derartiges zweites Leben erhält, das hat dann aber doch noch Seltenheitswert. Wobei, so richtig viel haben die Vorlage und Rage of Bahamut: Genesis nicht miteinander zu tun. Nicht nur, dass die Protagonisten völlig neu sind, von dem alten Kartenspielprinzip des Originals ist kaum etwas übriggeblieben, sieht man einmal davon ab, dass die Ziele der Kopfgeldjäger in Karten gebannt werden.
Aber Originaltreue hin oder her, im Bereich der Spieleadaptionen gehört Rage of Bahamut: Genesis sicherlich zu den stärkeren Titeln, welches das Licht des Fernsehers erblickt haben. Das liegt sicher auch daran, dass auf größere Experimente verzichtet wurde, die grundsätzliche Geschichte dem Fantasystandard entspricht: Ein kerniger Abenteurer trifft eine mysteriöse holde Maid, die von anderen verfolgt wird und den Schlüssel zum Weltuntergang/zur Weltherrschaft in sich trägt, muss diese nun an einen bestimmten Ort begleiten. Die ganz großen Überraschungen bleiben im Laufe der zwölf Folgen aus, daran ändert auch der vermeintliche Twist nichts.
Es sind dann eher die Details, welche Rage of Bahamut: Genesis vom Genreeinerlei abheben. Eines betrifft das Szenario: Mistarcia wird nicht nur von den üblichen Menschen und Monstern bevölkert, auch Dämonen, Engel und sogar Götter gehen hier ein und aus. Dass man in Japan ein etwas freieres Verhältnis zu Religionen und Mythologien pflegt, ist hinreichend bekannt. So besteht beispielsweise der Reiz der „Megami Tensei“-Spiele und Animes (Devil Survivor 2, Persona 3) zu einem wichtigen Teil genau darin, dass hier übernatürliche Wesen aus aller Welt miteinander kämpfen. Hier ging man da aber noch ein wenig vogelwilder zur Sache, mit deutlich komischen Effekten: Wenn Zeus und Satan einen Pakt eingehen, ein Zombie-Mädchen ihre Truppen gegen Teufelpiraten hetzt, Bacchus Kopfgeldjäger engagiert und Jeanne d’Arc eine Rolle dabei spielt, ob das biblische Urmonster Bahamut – hier in Drachenform – wieder aufersteht, da darf man dann schon einmal grinsen. Schade nur, dass dieses komische Potenzial nicht mehr genutzt wurde. Zum großen Finale hin werden Gottheiten wie Dämonenwesen im Dauerfeuer verheizt, ohne dass wir wirklich etwas von ihnen zu sehen bekommen.
Dafür wird an anderen Stellen der Humor groß geschrieben, was zum einen an den herrlich kuriosen Nebenfiguren liegt. Aber eben auch an Favaro, der schon sehr mit seinem plötzlichen Teufelsschwanz hadert. Das Drumherum gibt ebenfalls Anlass zur Freude, zum Teil zumindest. Ein wenig gewöhnungsbedürftig sind die mit enormen Lippen ausgestatteten Figuren schon, genauso der doch recht heftige Einsatz von Computereffekten. Schick sieht es aber aus, das neueste Werk des Animationsstudios MAPPA (Terror in Tokio, Punch Line), bietet durch die doch sehr unterschiedlichen Monster auch genügend optische Abwechslung. Musikalisch ist es da schon einheitlicher: Nach einem anfänglichen Ausflug in den Westernbereich – passend zum Kopfgeldjägerthema – wird es anschließend mittelalterlich-episch, was gut zur Geschichte passt. Wäre die am Ende origineller gewesen und hätte sich auch mehr Zeit genommen, Land und Leute vorzustellen – es gibt keine vernünftige Einleitung, das Tempo ist anschließend schon sehr hoch –, Rage of Bahamut: Genesis hätte etwas wirklich Großes werden können. Aber vielleicht klappt es ja bei der zweiten Staffel, die bereits angekündigt ist. Bis es so weit ist, dürfen sich Anhänger von Fantasyanimes auf einen immerhin unterhaltsamen Beitrag freuen.
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