(„Gokudou Daisenso“ directed by Takashi Miike, 2015)
Es ist ein Besuch in einem Badehaus, der dem bislang ziellos umherirrenden Kagayama (Hayato Ichihara) einen Sinn in seinem Leben gibt. Dort nämlich sieht er nämlich den mit Tattoos übersäten Yakuza-Boss Kamiura (Lily Frankie). Für Kagayama kommt ein solcher Körperschmuck aufgrund seiner empfindlichen Haut zwar nicht infrage, ein treuer Gefolgsmann des sanftmütigen, menschenfreundlichen Gangsters wird er dennoch. Und so ist der Schock umso größer, als der Martial-Arts-Experte Mad Dog (Yayan Ruhian) seinen Chef enthauptet, Kagayama zudem erfahren muss, dass Kamiura ein Vampir war und er daraufhin durch den Biss des körperlosen Kopfes selbst zu einem wird. Für den damit selbst zum Blutsauger gewordenen Gefolgsmann zählt anschließend nur noch eins: Er will Rache für den Tod seines untoten Bosses.
Wenn einen die bisherigen Werke von Takashi Miike eins gelernt haben, dann dass man ihnen am besten ohne jeglichen Erwartungen begegnen sollte. Zu oft sprang der japanische Vieldreher – knapp 100 Filme in 25 Jahren – thematisch und genretechnisch hin und her. Das zeigt bereits der Blick auf die letzten drei, die ihren Weg nach Deutschland gefunden hatten: Die skurrile Videospielverfilmung Ace Attorney, der schwarzhumorige Schulsplatter Lesson of the Evil und der moralisch herausfordernde Thriller Wara no tate. Und das gilt dann auch für seinen letzten Beitrag. Ein Film von Miike, der Vampire und Yakuza kombiniert und noch dazu auf dem Fantasy Filmfest 2015 lief? Das schreit geradezu nach Blutfontänen.
Gerade die sind hier jedoch Mangelware. Nach einem brutal-komischen Einstieg, der eine etwas andere Methode aufzeigt, einen Menschen von seinem Kopf zu befreien, geht es vergleichsweise zahm weiter. Gekämpft wird natürlich, denn Waffen hat in Miikes Japan fast jeder: Die Yakuza sowieso, ihre Gegenspieler ebenfalls, nach der durch Kagayamas Infektion losgetretenen Vampirakademie auch sämtliche Bürger vom kleinen Schulmädchen bis hin zum älteren Lehrer. Die ansehnlichsten Kämpfe sind aber die, wenn auf Waffen ganz verzichtet wird, wenn sich Kagayama und die bösen Buben in dreckigen, völlig drahtseilfreien Martial-Arts-Einlagen durch die Gegend treten.
Die eigentlichen Höhepunkte sind aber, sobald sich Miike von der Realität verabschiedet und seinem inneren Wahnsinn völlig freien Lauf lässt. Dann nämlich kommen Szenen heraus, die man selbst als Vielschauer in der Form noch nie gesehen hat, sie nie im Leben erwartet hätte. Nur so viel: Es kommen Menschen in grotesken Tier- bzw. Fabelwesen drin vor, ein etwas anderer Strickclub, der Weltuntergang und absonderliche Mahlzeiten. Wann immer der Japaner und sein Drehbuchautor Yoshitaka Yamaguchi sich diesen seltsamen Ideen ausliefern, wird Yakuza Apocalypse zu einem einzigartigen Spaß, den man so bald nicht wieder vergessen kann, bei dem man sich fragt, aus welchem Geisteszustand heraus er wohl entstanden sein mag.
Leider nur sind diese verrückten Ideen nicht annähernd so zahlreich, wie man sie gern hätte. Zwischendurch ließ es sich Miike nicht nehmen, eine Romanze einzubauen und allerlei Nebenfiguren einzufügen. Deren Handlungsstränge verlaufen aber im Nichts und führen nur dazu, dass die eigentliche Hauptfigur Kagayama zeitweise komplett verschwindet. Wären diese Szenen für sich genommen unterhaltsam, das Fehlen jeglichen roten Fadens wäre zu verschmerzen. Meistens sind sie aber eher langweilig und haben den Nachteil, Yakuza Apocalypse auf knapp zwei Stunden aufzublasen und so recht zäh werden zu lassen – trotz der vereinzelt großartigen Abschnitte.
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