(„Le Dernier Loup“ directed by Jean-Jacques Annaud, 2015)
Als Chen Zhen (Shaofeng Feng) 1967 von den chinesischen Behörden in die Mongolei geschickt wird, dann aus dem Zweck, einem Stamm von Hirten das Lesen und Schreiben beizubringen. Sehr viel interessanter für den jungen Studenten sind jedoch die freilebenden Wölfe, welche in der Gegend anzutreffen sind und die von allen respektiert, wenn nicht gar gefürchtet sind. So groß ist die Furcht, dass die Regierung eines Tages beschließt, sämtliche Wolfswelpen töten zu lassen, um die Tiere so auszurotten. Verhindern kann Zhen diese Tat nicht, zumindest eines der Jungtiere kann er jedoch an dem Verbot vorbeischmuggeln und selbst heimlich aufziehen.
Der letzte Wolf ist einer dieser Filme, deren Hintergrundgeschichte deutlich spannender ist als das Endprodukt. Schon die Wahl des Regisseurs ist ebenso naheliegend wie überraschend: Der Franzose Jean-Jacques Annaud hat nicht nur große Tierfilme gedreht (Der Bär, Zwei Brüder), sondern sich auch in Sieben Jahre in Tibet bereits eines fernöstlichen Themas angenommen. Letzteres stieß bei den chinesischen Filmwächtern jedoch so übel auf, da sie sich für den Einmarsch in Tibet kritisiert fühlten, dass das Drama im Reich der Mitte verboten wurde, Annaud selbst gleich mit. Dass ausgerechnet er der erste westliche Regisseur eines chinesischen Films werden sollte, noch dazu bei einer Verfilmung eines Romans, der sich kritisch gegenüber urchinesischen Werten und Überzeugungen äußerte, das kam dann schon ein wenig unerwartet.
Die kontroverseren Züge des 2004 unter einem Pseudonym veröffentlichten Buches „Der Zorn der Wölfe“ von Jiamin Lü sind in dem Film dann auch gar nicht zu finden. Eine Auflehnung gegen Befehle von oben sind zwar etwas ungewöhnlich in einer chinesischen Produktion, im Mittelpunkt steht aber ohnehin nicht das menschliche Miteinander, sondern die Beziehung vom Menschen zur Natur. Das ist tendenziell recht idealisierend, an manchen Stellen sogar regelrecht kitschig. Und insgesamt eher nichtssagend. Über die grundlegende Aussage hinaus – Mensch, halt dich aus der Natur raus! – hat Der letzte Wolf nicht sonderlich viel zu sagen, was bei einer Laufzeit von knapp zwei Stunden ein bisschen dünn ist. Manche Nebenhandlungen werden nur oberflächlich gestreift, von den Figuren gewinnt ohnehin keiner wirklich Kontur.
Aber Der letzte Wolf ist auch kein Film, den man sich der Menschen wegen anschaut, sondern für die Natur. Und an der Stelle hat es sich gelohnt, den erfahrenen Annaud hinzuzuziehen und auch viel Produktionszeit einzuplanen. Jahrelang wurde mit mehreren Dutzend echter Wolfswelpen trainiert, um so mit ihnen im Erwachsenenalter drehen zu können. Wann immer sie auftauchen (und nicht der gelegentliche Computer) oder man auch einfach nur die spärlichen Landschaften der Mongolei festhält, darf man getrost den Inhalt vergessen und sich ganz dem Bilderrausch hingeben. Wäre da nicht die aufdringliche, leicht bombastische Musik der 2015 verstorbenen Soundtracklegende James Horner (Titanic, Avatar), man hätte den Film an diesen Stellen leicht für einen Dokumentarfilm halten können. Wessen Herz angesichts weitläufiger Steppen und majestätischer Tiere leicht übergeht, der wird nachvollziehen können, weshalb Der letzte Wolf allein in China über 100 Millionen Dollar einspielen konnte. Der Rest darf den Film hingegen unbesorgt ignorieren, wie es mit Ausnahme von Frankreich dann auch das internationale Publikum getan hat.
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