(„Free to Run“ directed by Pierre Morath, 2016)
Was bringt einen eigentlich dazu, stundenlang im Kreis zu laufen? Zu Fuß 42 Kilometer hinter sich bringen zu wollen? Außenstehende werden das wohl nie verstehen, daran ändert auch Free to Run nichts – obwohl es der Dokumentarfilm ganz offensichtlich gern täte. Dass die Beteiligten, zumindest jene, die hier zu Wort kommen, voller Begeisterung für den Laufsport sind, ist nicht zu übersehen. Und auch Pierre Morath, der dem Marathon, aber auch dessen kleineren Brüdern – und Schwestern – ein Denkmal setzt, ist ein überzeugter Läufer. Auch das ist offensichtlich.
Das ist primär nichts Verwerfliches, aber doch ein bisschen schwierig bei einem Dokumentarfilm, der sich eigentlich wertneutral mit einem Thema auseinandersetzen sollte. Bei Free to Run ist das nicht der Fall, über weite Strecken der anderthalb Stunden beschleicht einen das Gefühl, einen überlangen Werbespot zu sehen. Erst zum Ende hin finden sich kritische Töne, die sich zwar nicht mit dem Sport als solchen auseinandersetzen, wohl aber mit dessen Auswüchsen, nachdem der Marathon zu einem auch aus kommerziellen Gründen gierig aufgenommenen Massenphänomen wurde.
Aber Morath ist ohnehin eher an der Historie interessiert, daran wie es war, in den 60ern noch misstrauisch beäugt zu werden, wenn man freiwillig im berüchtigten New Yorker Central Park seine Runden drehte. Nicht ohne Wehmut erinnern sich die Protagonisten hier an die Anfänge zurück, als es noch galt, andere zu überzeugen und Pionierarbeit zu leisten. Das ist auch durchaus mit spannenden Einzelschicksalen verknüpft, etwa Steve Prefontaine, der sich und andere Amateurläufer für ihre Arbeit entlohnt sehen wollte. Oder auch Kathrine Switzer, der die Teilnahme an längeren Läufen wie allen Frauen damals in den 60ern verboten war, und die mitverantwortlich dafür war, dass auch das „schwache“ Geschlecht gleichberechtigt zugelassen wurde.
Die Erzählweise ist hierbei streng chronologisch, was sich bei einer mehrere Jahrzehnte überspannende Rückschau auch anbietet, bei der Inszenierung selbst gibt es ebenfalls keine Experimente: Morath vertraut auf die übliche Mischung historischer Aufnahmen und Interviews mit mehr oder weniger berühmten Zeitzeugen, die alle ein bisschen über ihre Erfahrungen und vergangene Zeiten plaudern dürfen. An einigen Stellen hätte man gern mehr erfahren, etwa über die nur angerissene Verknüpfung mit dem Sportgiganten Nike, dessen Aufstieg offensichtlich auch mit dem des Laufsports zusammenhing. Auch der Schluss, wenn es um den Übergang in die Gegenwart geht, ist ein bisschen schnell erzählt. Insgesamt ist Free to Run aber eine runde Sache geworden. Wer sich für das Thema begeistern kann und sich nicht an dem missionarisch-wehmütigen Ton stört, wird zwar vielleicht nicht selbst zum Marathon-Läufer werden, aber doch zumindest einiges über deren Sport gelernt haben.
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