(„Im Spinnwebhaus“ directed by Mara Eibl-Eibesfeldt, 2015)
Nein, leicht hat es die alleinerziehende Mutter Sabine (Sylvie Testud) nicht: Der hyperaktive Nick (Lutz Simon Eilert) randaliert gleich, sobald er mal allein gelassen wird, Miechen (Helena Pieske) malt dafür die Wände an. Nur auf den ältesten, der 12-jährige Jonas (Ben Litwinschuh), ist Verlass. Und so übernimmt er dann auch das Kommando, als die heillos überforderte Mutter fortgeht, um im Sonnental mit ihren Dämonen zu kämpfen. Erfahren darf jedoch niemand etwas von der Situation, das ist den drei klar, sonst droht eine Unterbringung im Heim.
Es ist kein schönes Leben, welches die drei Kinder da führen: Die Mutter kann nicht mehr, der Vater will sie nicht, trotz Beteuerung, dass es nicht an ihnen läge. Aber so lange sie zusammenhalten, wird schon alles gut werden. Es ist ja auch nur für kurze Zeit, bald kommt Mama zurück, ganz bestimmt. Die Parallelen zu Jack sind dabei nicht zu übersehen, wo ebenfalls ein Junge sich um die jüngeren Geschwister kümmern muss, nachdem die verantwortungslose Mutter weg ist und auch sonst niemand da ist, der sich der Kinder annehmen kann oder will. Gleichsetzen sollte man beide Filme jedoch nicht, dafür gibt es dann doch zu große Unterschiede.
Zunächst einmal ist Jonas nicht Jack. Wo Letzterer in einer fast unheimlichen Souveränität die Situation meisterte und seinem Alter immer ziemlich voraus war, scheitert Jonas ebenso an seinen Geschwistern wie seine Mutter zuvor. Er ist zwar der Vernünftige, jedoch nicht übermäßig durchsetzungsstark, hat die täglichen Abläufe nicht im Griff. Das wird gerade auch durch die Wohnung verdeutlicht, die zunächst noch vorzeigbar ist, später aber zunehmend im Chaos versinkt. Am Ende sind die drei doch nur Kinder, dürfen auch solche sein, der Film gewinnt gerade dann an Charme und Liebenswürdigkeit, wenn das Trio herumalbert, sich beispielsweise gegenseitig mit Essen bewirft.
Während Im Spinnwebhaus in der Hinsicht der authentischere Film ist, so ist er zeitgleich aber auch der weniger in der Realität verhaftete. Schon die wunderbaren Schwarz-Weiß-Aufnahmen lassen das Drama immer ein klein wenig entrückt, nicht von dieser Welt wirken. Richtig seltsam wird es aber erst, als Felix Graf von Gütersloh (Ludwig Trepte) auftaucht, der in Reimen sprechende und einen langen Ledermantel tragende Goth-Quasi-Schutzengel, der für Jonas immer einen Rat parat hat. Ab diesem Zeitpunkt verwischen die Grenzen zwischen Realität und Fantasie zunehmend, man kann sich eigentlich nie ganz sicher sein, was hier gerade nun wirklich passiert, was nur eingebildet ist.
Eine direkte Coming-of-Age-Geschichte ist Im Spinnwebhaus daher nicht, obwohl sie viele Elemente einer solchen enthält. Diese allmähliche Verschiebung wird viele Zuschauer sicher überraschen, manche vermutlich sogar irritieren und zum Schluss unbefriedigt zurücklassen. Andererseits ist es gerade diese poetisch-märchenhafte, manchmal auch düstere Stimmung, welche das Sozialdrama auszeichnet, ihr einen ganz eigenen Reiz gibt, zumal der Film in seinen normalen Momenten häufiger an den eher hölzernen Darstellungen der Kinder scheitert. Für sich genommen ist keiner der beiden Teile ganz rund, in Kombination wird daraus jedoch ein interessantes Werk von einer eigenwilligen Schönheit.
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