(„V paprscích slunce“ directed by Vitaliy Manskiy, 2015)
Nordkorea, das ist sowas wie das Fabelwesen unter den Staaten. Gehört hat jeder schon mal davon, meist im Rahmen fantastisch-kurioser Geschichten. Gesehen hat es aber keiner so wirklich: Selbst wer das streng abgeschottete Land betritt, bekommt nur einen Teil zu Gesicht, und zwar den Teil, den das Regime minutiös vorbereitet und aufpoliert hat. Das Recht auf Meinungsäußerung gibt es nicht, auch keine Pressefreiheit oder reguläres Internet. Diese Restriktionen musste auch der russisch-ukrainische Regisseur Vitaliy Manskiy erdulden, als er für ein Jahr nach Fernost reiste, um dort das Leben der 8-jährigen Zin-mi zu filmen und den Alltag zu zeigen.
Mit Alltag oder der echten Zin-mi hat Im Strahl der Sonne jedoch kaum etwas zu tun. Um Nordkorea ins rechte Licht zu rücken, wurden die Dreharbeiten bis ins letzte Komma vorgeplant: Orte, Personen, Dialoge – alles wurde durch die Vertreter des Staates vorgeschrieben. Und wenn eine Aufnahme mal nicht gleich glückte, wurde sie eben wiederholt, so lange, bis die beabsichtigte Aussage gut rüberkam. Zudem sorgten Beamte vor Ort dafür, dass sich jeder an die offizielle Erzählweise hielt. Freies Drehen? Das war völlig ausgeschlossen, Manskiy und sein Team durften nicht einmal unbeaufsichtigt das Hotel verlassen.
Ein regulärer Dokumentarfilm war auf diese Weise natürlich unmöglich, was auch dem Filmteam klar war. Und so machten sie aus der Not eine Tugend, fanden kleine Kniffe, um doch noch etwas aus der Situation herauszuholen. Schon dass ein Teammitglied Koreanisch verstand und so die realen Gespräche mithören konnte, war von den Aufpassern nicht gedacht. Auch nicht, dass Manskiy unbeobachtet aus seinem Hotelzimmer heraus das Geschehen auf der Straße festhielt. Doch der beste Kniff war, nicht nur die offiziellen Momente zu filmen, sondern auch deren Vorbereitung. So dürfen wir gleich dreimal dieselbe Szene sehen, in der Zin-mi ein untypisch üppiges Mal zu sich nimmt, jedes Mal mit einer leichten Variation. Was von den Führern als authentische Alltagssituation gedacht war, wird auf diese Weise ad absurdum geführt. Ein tatsächlicher Dokumentarfilm ist das Ergebnis nicht, eher eine Art Making-of, welches die Mechanismen der Propaganda bloßstellt und ins Lächerliche zieht.
Überhaupt ist Im Strahl der Sonne ein Film, der oft erheitert, sei es durch die grotesken Drehbedingungen, den allgegenwärtigen Führerkult oder auch die plumpe Propaganda. So haben die Eltern von Zin-mi während der Vorbesprechung noch andere Berufe als später beim Dreh, ihre jeweiligen Arbeitsstellen befinden sich „zufällig“ in den Vorzeigeunternehmen des Landes, ihr filmisches Zuhause gehört ihnen gar nicht. Besonders lustig wird es aber, wenn Staatsvertreter zu Wort kommen. Die Amis seien feige, lernen wir bei einem Vortrag, weshalb die Nordkoreaner sie trotz zahlenmäßiger Überlegenheit besiegen konnten. Das eigene Land wäre glücklich, würde seine Einwohner mit allem Nötigen versorgen. Gleichzeitig erfahren wir durch die nachträglich eingebauten Kommentare des Regisseurs, dass die Regale in den Supermärkten immer leer waren. An einer Stelle sehen wir auch heimlich gefilmte Jungen, welche Mülleimer durchwühlen.
Denn auch das gehört zu Im Strahl der Sonne dazu: das Hässliche. Das, worüber niemand spricht. Das, was es offiziell nicht gibt. Gerade weil der Blick auf das wahre Leben hier immer nur über Umwege geht, sind die raren Momente umso wirkungsvoller, wenn die Fassade bröckelt. Und das gilt besonders für den herzzerreißenden Schluss, in dem einen vor Augen geführt wird, dass selbst in Marionetten menschliche Gefühle heranwachsen, die in unbeobachteten Augenblicken ihren Weg nach draußen finden.
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