(„Muumit Rivieralla“ directed by Xavier Picard, 2014)
In Teil 97 unseres fortlaufenden Animationsspecials treffen wir ein paar gute alte Bekannte wieder, die weltweit bei Millionen von Menschen ein fester Bestandteil der Kindheit waren. Ein alter Hut also? Nicht ganz, denn ein neuer Auftritt der ungewöhnlichen Helden zeigt, dass einige Sachen nie aus der Mode kommen. Selbst dann nicht, wenn man keine Kleidung trägt.
L’evidence! Als Snorkfräulein in einer Illustrierten von der Glitzerwelt an der Riviera liest, steht für sie fest, dass sie auch dorthin muss. Unbedingt. „Aber warum eigentlich nicht?“, denken sich die Mumins, packen ihre sieben Sachen und schippern mit einem kleinen Bötchen in Richtung Süden. Schön ist es, keine Frage. Und auch schön aufregend. Aber doch auch ein wenig seltsam. Während sich Muminmama über die riesigen Zimmer wundert und Muminpapa mit einem Aristokraten um die Häuser zieht, hat Mumin seine liebe Not, das von schicken Klamotten und charmanten Casanovas verzauberte Snorkfräulein im Zaum zu halten.
Man kann nicht unbedingt behaupten, dass es in den letzten Jahrzehnten einen Mangel an Mumins-Umsetzungen für Film und Fernsehen gegeben hat. Ob als Zeichentrick, mit realen Schauspielern oder in Puppenform, aus Deutschland, Skandinavien oder dem fernen Japan, die von dem finnischen Autor und Illustrator Tove Jansson geschaffenen Fabelwesen waren ein ständiger Begleiter von kleinen wie großen Zuschauern. Meistens jedoch basierten die Adaptionen auf den ab 1945 erschienenen Büchern. Der Franzose Xavier Picard jedoch, der hier seinen ersten Spielfilm inszeniert, nahm sich eines der Comicbücher als Vorlage.
Den Unterschied sieht man auf Anhieb: Um sich nahe an das Aussehen des Originals zu halten, wurde mit sehr wenigen Hintergründen und noch weniger Farben gearbeitet. Das hört sich erst einmal wenig einladend an, ist bei Mumins an der Riviera aber doch sehr reizvoll – gerade auch wegen der eigenwilligen Farbgebung. Das Wasser kann hier schon mal grün sein, die Figuren blau, der Himmel orange, ohne dass es hierbei zu Schattierungen käme. War die japanische Zeichentrickserie Die Mumins Anfang der 90er eine optisch relativ konventionelle Angelegenheit, sieht das hier tatsächlich so aus, als wäre man in einer anderen, fremden Welt gelandet. Und das ist angesichts der oft bizarren Figuren, die wenn dann nur zufällig realen Lebewesen gleichen, ein mehr als passendes Ambiente.
Aber auch inhaltlich sind sich die beiden Adaptionen trotz gemeinsamer Zeichentricktechnik nicht so ähnlich, wie man vielleicht erwarten würde. Waren die Bücher und damit indirekt die Serie oft eher im Abenteuerbereich angesiedelt, liegt bei Mumins an der Riviera der Fokus sehr viel stärker auf Humor, weniger auf einer richtigen Handlung. Tendenziell sollten mit dem eher Kinder angesprochen werden, manche der Witze werden aber gerade auch Erwachsene zum Schmunzeln bringen. Das Fundament bilden dabei typische Culture-Clash-Gags, die sich von selbst schreiben, wenn es etwas unförmige, nilpferdähnliche Provinzler in die elegante Schickimicki-Großstadt verschlägt. Dazu gesellen sich noch schön absurde Momente und kleinere satirische Spitzen auf die High Society.
Das ist zwar nicht automatisch besser als vorherige Adaption der Kultfiguren, aber doch zumindest eine ungewöhnliche und unterhaltsame Alternative für die ganze Familie. Technisch darf man sich hierbei keine Wunderwerke erwarten, Mumins an der Riviera wirkt wie aus der Zeit gefallen, verrät zu keiner Zeit, dass er im Jahr 2014 produziert wurde. Umso erfreulicher, dass der etwas altmodische Zeichentrickfilm nach einer längeren Wartezeit doch noch den Weg hierherfand. Schön auch: Tove Janssons Nichte Sophia, welche sich um den Mumins-Nachlass kümmert, war von dem Ergebnis so angetan, dass sie gern weitere Werke in der Machart sähe – und nicht nur sie.
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