(„Hi no Tori 2772: Ai no Kosumozōn“ directed by Taku Sugiyama, 1980)
Wenn es nach dem Machthabern geht, dann ist dem in einem Reagenzglas gezüchteten Godo sein weiterer Lebensweg vorbestimmt: Pilot soll er werden. Das Talent dazu hat er sicherlich, tatsächlich ist er so außergewöhnlich begabt, dass ihm eine besondere Mission erteilt wird. Der legendäre Feuervogel, der im Weltall irgendwo zu finden sein soll, muss gefangen, sein Blut dazu genutzt werden, die von Menschen ausgebeutete Erde wieder zu erneuern. Noch bevor die Mission startet, legt sich Godo jedoch mit dem Politiker Rock an, indem er dessen Verlobte Lena auszuspannen versucht. Der Versuch schlägt fehl, für sein Verbrechen soll der junge Mann in einem Arbeitslager büßen.
So richtig eilig hatte es Regisseur Taku Sugiyama (Alice im Wunderland) ja nicht, als er 1980 Space Firebird 2772 drehte. Einige Minuten dauert es, bis wir das erste Mal einen Dialogfetzen hören, wir etwas über den Protagonisten erfahren. Aber der Einstieg ist wichtig, um einen kleinen Einblick in die Welt der Zukunft zu geben, wo Babys aus dem Labor kommen und anschließend von Robotern erzogen werden. Eine dystopische Welt, in der Menschen à la „Schöne neue Welt“ von Aldous Huxley Rollen zugeordnet werden, noch bevor sie überhaupt geboren sind, und die sie anschließend nicht wieder verlassen dürfen. Eine Welt, die kurz davor ist zu sterben.
Ausgedacht hat sich dieses nicht sehr vielversprechende Zukunftsszenario kein anderer als Osamu Tezuka, der mit Mangas wie „Astro Boy“ oder „Kimba, der weiße Löwe“ die japanische Popkultur wie kaum ein anderer beeinflusst hat. Sein Meisterwerk, zumindest nach eigener Ansicht, lautet aber „Hi no Tori“ – zu Deutsch Feuervogel – und behandelte in 17 Werken, die zwischen 1954 und 1988 erschienen sind, eine Reihe von Themen rund um den Menschen und deren Suche nach Unsterblichkeit. Adaptiert wurden die Geschichten mehrfach als Anime, die meisten Werke schafften es sogar bis nach Deutschland. So auch Space Firebird 2772, vielleicht um von der Popularität des damals zeitgleich gestarteten Captain Future zu profitieren.
Dass beide aus derselben Zeit stammen, ist kaum zu übersehen, ebenso dass Tezukas Manga hier Pate stand: Nicht nur, dass seine bekannte Figur Black Jack einen Gastauftritt hat, auch andere typische Elemente wie ein kleiner dicker Mann mit einem Schnauzbart dürfen nicht fehlen. Man muss diese altmodischen Designs schon mögen und auch Abstriche bei der Technik in Kauf nehmen: Nennenswerte Spezialeffekte gibt es nicht, die Animationen des Studios Tezuka Production (Das Leben des Budori Gusko, Samurai Warriors) sind oft rudimentär, die Hintergründe oft seltsam leer. Letzteres stört aber nicht wirklich, da es recht gut zu der zuweilen surrealen Atmosphäre passt, welche auch durch die grotesken, ein wenig an Der phantastische Planet erinnernden Kreaturen erzeugt wird.
Durch die soll auch ein wenig Humor ins Spiel kommen, was allerdings nicht ganz so gut funktioniert. Interessanter ist es da, wenn Space Firebird 2772 sich eher existenziellen Überlegungen zuwendet, unter anderem über den Umgang mit anderen Lebensformen. Fast schon visionär war seinerzeit auch die Frage, welche moralischen Folgen die Schaffung künstlichen Lebens hat. Wo sind die Grenzen zwischen Menschen und Robotern? Haben Letztere Rechte? Können sie eine Persönlichkeit haben? Diese Fragen verbinden wir meistens mit der Reihe Ghost in the Shell. Aber auch Tezuka machte sich so seine Gedanken dazu, siehe Robotic Angel oder eben hier.
So ganz kann es der an und für sich sehenswerte Sci-Fi-Oldie mit seinen Nachkommen nicht aufnehmen, was neben der schlichten Technik auch an dem nicht ganz optimalen Tempo liegt. Knapp zwei Stunden dauert der Film in seiner Originalfassung, was es so nicht gebraucht hätte. Auch im späteren Verlauf lässt sich Sugiyama kaum hetzen bei der Entwicklung der Geschichte – nicht ohne Grund wurde der amerikanische Release ursprünglich um eine gute halbe Stunde gekürzt. Apropos Originalfassung: Anders als bei vielen Oldieveröffentlichungen ist hier auch die japanische Tonspur drauf – allerdings ohne Untertitel. Aber auch die deutsche Fassung geht in Ordnung, wenngleich man bei der Übersetzung aus einer 2772 eine 272 machte, ohne den Titel anzupassen, was ein wenig kurios wirkt.
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