Virgin Mountain
© Alamode Film

Virgin Mountain

(„Fúsi“ directed by Dagur Kari, 2015)

Virgin Mountain DVD
„Virgin Mountain“ erscheint am 1. April auf DVD und Blu-ray

Fúsi (Gunnar Jónsson) ist nicht unbedingt das, was man einen Gewinner nennt: Mit seinen 43 Jahren lebt er immer noch zu Hause bei Mama, hatte auch noch nie eine Freundin. Freunde hat er auch kaum, muss sich bei seiner Arbeit als Gepäckfahrerjob am Flughafen zudem viel Spott für seine Leibesfülle anhören. Erfüllung findet er nur bei seinen Spielzeugfiguren, mit denen er Schlachten aus dem Zweiten Weltkrieg nachstellt. Dann jedoch bekommt er einen Gutschein für einen Tanzkurs geschenkt und lernt dabei die nicht auf den Mund gefallene Sjöfn (Ilmur Kristjánsdóttir) kennen, die sein Leben ganz schön auf den Kopf stellt.

Ein verschrobener Außenseiter, der die Frau seines Lebens trifft und lernt sich zu behaupten – oh ja, das ist der Stoff aus dem Liebeskomödien geschnitzt werden. Nicht so bei Virgin Mountain. Nicht nur, dass Fúsi viel zu alt für die schmachtende Teeniezielgruppe ist, er hat mit seinem enormen Körperumfang, dem Zottelbart und den wenig feinen Gesichtszügen auch nicht die notwendigen körperlichen Attribute. Allein deshalb schon muss man Regisseur und Drehbuchautor Dagur Kari dankbar sein: Er pfeift auf das Massendiktat und wählt als Protagonisten einen Mann, der in Hollywood allenfalls als Witzfigur eine Rolle fände.

Ein bisschen Humor findet sich auch in Virgin Mountain, dieser regt aber weniger zum Schenkelklopfen an, allenfalls zum Schmunzeln. Und das auch nur, wenn man den typisch skandinavischen Hang zu etwas skurrileren Figuren wertschätzt. Ansonsten aber nimmt Kari seine Geschichte durchaus ernst und erzählt abseits von Kitsch, Melodram oder auch Heile-Welt-Szenarien von einem Menschen, der nie den Weg in die Gesellschaft gefunden hat, nicht weiß, wie er mit anderen umzugehen hat. Und der sich dafür vermutlich auch schon seit Langem nicht mehr interessiert. Dafür findet der Film auch ein auf den Punkt passendes Bild, indem Fúsi seinen Lebensunterhalt am Flughafen verdienen lässt. Selbst verreist ist er nie, er kümmert sich nur um das Gepäck der anderen, trägt dabei auch noch riesige Kopfhörer, die ihn auch akustisch von dem Rest der Welt abtrennen.

Wenn er doch einmal in die Situation gerät, mit anderen agieren zu müssen, ist er dann auch gleich überfordert. Umso schöner und rührender ist es mitanzusehen, wie er seine ersten Schritte aus seiner Wohlfühlzone wagt. Coming of Age würde man dazu sagen, wäre er dafür nicht ein paar Jahrzehnte zu alt. Und auch hier versucht Kari gar nicht erst, sich anzubiedern. Ein Schritt vorwärts, einer zurück. So könnte man die Erfahrungen des Heavy-Metal-liebenden Giganten beschreiben. Denn jedes Mal, wenn sich ihm der Weg ins Glück andeutet – das kleine Nachbarsmädchen, die Kollegen und natürlich auch Sjöfn –, er führt doch immer in die Leere, teilweise auch in die Demütigung und Misshandlung.

Es ist dann auch nicht ganz leicht, sich hier nicht emotional mitreißen zu lassen. Und das, obwohl Fúsi so wenig Emotionen zeigt. Frustrierend wenig: So sehr man das Umfeld für dessen herablassenden und rücksichtslosen Taten verabscheut, so sehr möchte man den lethargischen Außenseiter wachschütteln, damit er sich zur Wehr setzt. Oder wenigstens einmal eine Reaktion zeigt. Doch genau das ist der große Verdienst von Hauptdarsteller Gunnar Jónsson. Man sieht dem von ihm verkörperten Fúsi genau an, dass da etwas in ihm vor sich geht, dass sich da langsam etwas in Bewegung setzt, von dem er nicht genau sagen kann, was es ist. Dass das so ruhig erzählte Charakterporträt am Ende das Heil nicht im Zwischenmenschlichen sucht, sondern seine Titelfigur in die tatsächliche Eigenständigkeit entlässt, rundet den eigenwilligen, rundum sympathischen Film aus Island ab.



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Wenn in „Virgin Mountain“ ein kauziger Außenseiter den Weg zurück ins Leben und Glück sucht, dann ist das erstaunlich frei von Klischees oder Liebeskomödieschablonen, trotz der sehr ruhigen Art aber ein emotional mitreißendes Charakterporträt.
8
von 10