(„Anatomia zła“ directed by Jacek Bromski, 2015)
Irgendwann hat alles mal ein Ende, auch die Karriere eines Auftragskillers. So dachte Lulek (Krzysztof Stroiński) zumindest. Aber wer ein derartiges Talent hat, andere um die Ecke zu bringen, der kann das mit der Ruhe vergessen, vor allem wenn es sich bei der Kundschaft um ein hohes, offizielles Tier handelt und die Staatsanwaltschaft involviert ist. Das fällt das mit dem „Nein“ schon schwieriger. Ein General ist es, den Lulek ausschalten soll, für eine entsprechend Entlohnung und einen nagelneuen Pass. Verlockend, wollte der polnische Exhälftling doch schon immer mal in den warmen Süden umsiedeln. Dumm nur, dass seine Augen immer mehr nachlassen, was seine Fähigkeiten als Scharfschütze beeinträchtigt. Und so soll der in Ungnade gefallene frühere Soldat Stasiek (Marcin Kowalczyk) diese Drecksarbeit erledigen.
Ein Soldat, der während eines Auslandseinsatzes ein bisschen zu freigiebig mit seiner Munition umging und nun im Fadenkreuz eines Journalisten steht, das lässt schnell die Erwartung eines Kriegsdramas aufkommen. Erfüllt wird diese Erwartung jedoch nicht: Weder spielt der Krieg später noch eine Rolle, ist vielmehr der bloße Anlass, dass Stasiek ein erfahrener Scharfschütze ist. Noch ist Anatomie des Bösen allzu dramatisch, dafür hält sich der polnische Film zu sehr mit Hintergrundgeschichten zu seinen Figuren zurück. Eigentlich weiß man zwei Stunden später immer noch nicht so genau, wer die beiden Attentäter eigentlich sind, über die Auftragsgeber und das Opfer erfahren wir noch weniger. Denn je weniger man weiß, umso besser ist das, wie Lulek aus Erfahrung verraten kann.
Ein Nachteil ist die sparsame Informationslage für den Zuschauer nicht, Regisseur und Drehbuchautor Jacek Bromski hat hier einen Film auf die Beine gestellt, der einerseits rechts klassisch und gradlinig ist, gleichzeitig aber seinen eigenen Kopf hat. Wie in einem Heist Movie erzählt der bald 70-jährige Veteran davon, wie ein großer Coup vorbereitet wird, inklusive Ablenkungsmanöver und kleiner Übungseinheiten. Ein polnisches Ocean 11, wenn man denn so will. Und doch hinkt der Vergleich. Während das Genre normalerweise liebenswerte Gauner als Protagonisten einsetzt, fällt es doch ein wenig schwerer, Sympathien für Mörder zu entwickeln, diese gar innerlich anzufeuern. Außerdem fehlt der oft mit einem solchen Film verbundene Humor, obwohl ein aus der Übung gekommener Verbrecher sich dafür eigentlich anbieten würde. Und wenn es doch mal etwas komischer wird, etwa wenn sich der betagte Auftragskiller über den Verfall von Moral der Jugend beklagt, dann ist er schon recht dunkel gefärbt. Wirklich Satirisch wird es dabei jedoch nicht, Anatomie des Bösen ist kein zweites Mann beißt Hund, sondern vielmehr der unaufgeregte und damit irgendwo auch erschreckende Blick auf einen etwas anderen Job.
Einen gewissen Hang zum Zynismus kann man dem Film dabei nicht absprechen. Helden? Die gibt es bei Bromski nicht, egal auf welcher Seite des Gesetzes man nun danach sucht. Wo die Grenze zwischen Antagonist und Protagonist verschwindet, da ist normalerweise nur schwer Spannung aufzubauen. Und doch gelingt genau das: Der Einstieg ist recht lang, bis Anatomie des Bösen zum eigentlichen Thema kommt, vergeht schon eine ganze Weile. Davon einmal abgesehen kommt der Thriller jedoch ohne nennenswerten Längen aus, fesselt den Zuschauer mit gelegentlichen Überlegungen zu gut oder böse und der sich langsam ändernden Dynamik zwischen den beiden ungleichen Männern an die Leinwand. Leider gibt es derzeit keine reguläre Möglichkeit genau dies zu tun, einen offiziellen Starttermin hat der Film bislang nicht. Besucher des polnischen Filmfestivals FilmPolska, welches vom 20. Bis 27. April das nunmehr 11. Mal in Berlin stattfindet, sollten daher – sofern sie eine Schwäche für düster-nihilistische Stoffe haben – die Gelegenheit nutzen und die ruhig erzählte Anatomie des Bösen auf die eigene Watchlist schreiben.
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