(„Le Chat du Rabbin“ directed by Joann Sfar and Antoine Delesvaux, 2011)
Wie schon letzte Woche in Memories bilden auch bei der 101. Ausgabe unseres fortlaufenden Animationsspecials mehrere Comicgeschichten die Grundlage, welche zu einem Film zusammengefügt wurden. Auf große Namen muss man hierbei zwar verzichten, die Freunde etwas anderer, erwachsener Zeichentrickgeschichten sollten aber gerade deshalb den Geheimtipp einmal unter die Lupe nehmen.
Früher war die Katze des Rabbis Sfar eigentlich ganz normal. Bis zu jenem Tag, an dem sie den Papagei der Familie verputzte und dadurch plötzlich die Fähigkeit des Sprechens erwarb. Sfar ist darüber weniger glücklich, nicht nur weil sein Vogel nun fort ist, sondern weil sein Haustier beginnt, lästige Fragen zu stellen, lügt wie gedruckt und sich immer wieder über den jüdischen Glauben lustig macht. Sogar eine Bar Mitzwa will die Katze nun! Und als wäre das alles nicht kompliziert genug, fordert auch Sfars Tochter Zlabya plötzlich mehr Freiheiten. Zudem ist das noch die eine Kiste aus Russland mit einem ebenso unerwarteten wie kompromittierenden Inhalt.
In seiner Heimat Frankreich ist Joann Sfar sowohl als Comic-Zeichner wie auch als Regisseur (Gainsbourg – Der Mann, der die Frauen liebte) bekannt, allein seine Reihe um die sprechende Rabbiner-Katze verkaufte sich mehrere Hunderttausend Mal. Die ist zwar auch in Deutschland erhältlich, aufgrund ihres etwas speziellen Inhalts aber nicht ganz so für den Mainstream geeignet. Und das gilt dann auch für den Zeichentrickfilm, welcher auf mehreren Bänden basiert und zeigt, dass der Animationsmarkt im benachbarten Frankreich deutlich vielfältiger ist und weniger auf eine junge Zielgruppe beschränkt.
Denn die wird hier nur zum Teil ihren Spaß haben. Sicher, eine sprechende und freche Katze, dazu noch witzig designt, das erfreut auch das Kinderherz. Diverse Anspielungen, Seitenhiebe und Überlegungen werden an diesem jedoch unbemerkt oder unverstanden vorbeigehen. Joann Sfar, der selbst Jude ist, lässt sich die Gelegenheit nämlich nicht entgehen, sich kritisch mit seinem kulturellen Erbe auseinanderzusetzen und versteckt hinter dem tierischen Protagonisten so manche Absurdität und Klischee auf die Schippe zu nehmen. Anders als etwa Das brandneue Testament ist sein Die Katze des Rabbiners aber weniger an bloßem Spott, sondern mehr an einem gegenseitigen Austausch und Toleranz interessiert. Nur geht er dafür eben manchmal über Leichen, wortwörtlich.
Im Großen und Ganzen ist Sfar der Drahtseilakt zwischen harmlosen Späßen und bissigen Kommentaren gut gelungen, Die Katze des Rabbiners ist ein ebenso unterhaltsamer wie cleverer Film über Menschen und ihre Beziehung zur Religion. Problematisch ist jedoch der Versuch, mehrere Bände auf einmal zu adaptieren. Während der Einstieg noch recht harmonisch ist, der Film sich Szene für Szene entwickelt, springt er später wild hin und her. Gerade die Reise durch Afrika kommt etwas sehr unvermittelt, endet auch so plötzlich, wie sie begonnen hat. So kurzweilig die Abenteuer auch sind, so überhastet ist das Ganze, die nicht einmal 90 Minuten reichen einfach nicht aus, um alle Themen richtig erzählen zu können.
Sehenswert ist Die Katze des Rabbiners aber auch, wenn es zwischendurch etwas holpert. Und das in mehrfacher Hinsicht: Zwar erreichte das zuvor neu gegründete Animationsstudio Autochenille Production nie die stilistische Brillanz des anderen großen französischen Katzenzeichentrickfilms neueren Datums – A Cat in Paris –, die detailreichen Bilder und das exotische Setting des Algeriens der 1920er Jahre halten die Augen aber mehr als beschäftigt. Auch über mangelnde Abwechslung wird sich hier keiner wirklich beschweren können, da gegen Ende hin noch kräftig experimentiert wird. Umso ärgerlicher ist es, dass Die Katze des Rabbiners auch Jahre später nicht in Deutschland erhältlich ist. Immerhin ist der Film aber sowohl als englisch- wie französischsprachiger Import leicht zu bekommen, was sich bei dem Sieger des prestigeträchtigen Festival d’Animation Annecy dann auch wirklich lohnt.
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