(„Emelie“ directed by Michael Thelin, 2015)
Glück im Unglück: Nach dem kurzfristigen Ausfall ihrer Babysitterin sah es für einen Moment so aus, als müssten Dan (Chris Beetem) und Joyce (Susan Pourfar) ihre Ausgehpläne zum Hochzeitstag fallen lassen. Dann meldet sich jedoch Anna (Sarah Bolger) bei ihnen, eine Freundin der Babysitterin, und bietet an, den Job zu übernehmen. Da sie so einen netten Eindruck macht, willigen die beiden ein. Was sie dabei nicht ahnen: Anna heißt eigentlich Emelie und verfolgt ein ganz anderes Ziel, als nur auf die drei Kinder (Joshua Rush, Carly Adams, Thomas Bair) aufzupassen.
Eine Babysitterin kann ein noch so hübsches Gesicht und noch so gute Manieren haben, wenn sie sich mit einem falschen Namen einschleicht, verheißt das nichts Gutes. Und wenn dann der Film auch im Rahmen der Fantasy Filmfest Nights gezeigt wird, dann wetzen die Freunde etwas härterer Stoffe schon einmal vor dem geistigen Auge die blutigen Messer. Genrefans dürften bei Emelie auch nicht enttäuscht werden, wenngleich das Grauen hier etwas andere Formen annimmt als erwartet. Gemetzelt und gemeuchelt wird hier weniger, der Horror kommt auch nicht aus der Hölle, sondern entspringt dem Alltag – ist damit aber kein Stück weniger verstörend.
Die einzelnen Maßnahmen aufzulisten, mit denen Emelie die ihr anvertrauten Kinder „betreut“, würde dem Film ein wenig seinen Reiz liegen, liegt der Unterhaltungswert doch gerade in dem Überraschungseffekt. Nur so viel: Normalerweise sind es die Kinder, welche sich einen Spaß daraus machen, ihre Grenzen zu suchen. Emelie zeigt diese nicht auf, im Gegenteil: Sie ermuntert die drei, sie zu überschreiten, weiter und weiter, ohne Rücksicht auf Verluste oder Folgeschäden. Was zunächst noch als Nachlässigkeit durchginge, als bloße Unvernunft, nimmt immer bösartigere Formen an. Zu einem wirklichen Alptraum wird Emelie damit vor allem für Eltern, die sich in Zukunft mehr als zweimal überlegen werden, ob sie die lieben Kleinen jemandem anvertrauen. Aber auch als kinderloser Zuschauer muss man anerkennen, wie Michael Thelin, der hier sein ausgewachsenes Regiedebüt gibt, mit einfachen Mitteln und ohne viel zu zeigen traumatisierende Erfahrungen auf die Leinwand bringt.
Etwas zwiespältiger ist die zweite Hälfte, wenn er sich von diesem Pfad wieder verabschiedet und quasi zwei Geschichten auf einmal erzählen will. Zum einen werden Erinnerungen an Kevin allein zuhaus wach, wenn den Kindern dämmert, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zu sich geht, und sie beginnen sich zu wehren. Zu einer Komödie wird Emelie an der Stelle jedoch nicht, stattdessen schleichen sich tragischere Aspekte in den Film. Nun hat ein bisschen Drama dem Thrillergenre nie geschadet, In Their Skin baute auf eine ganz ähnliche Mischung aus traurigem Schicksal und bösartigem Home Invasion. Emelie lässt an der Stelle jedoch zu viele Fragen offen, so richtig überzeugen will das inhaltlich nicht mehr.
Dafür entschädigen die gelungenen Darstellungen, sowohl von Sarah Bolger als vermeintlich nettes Monster wie auch der drei Kinder, sonst oftmals Schwachstellen in dem Bereich. Schön ist auch, dass bei den Abwehrversuchen der jungen Protagonisten auf ein gesundes Maß geachtet wurde, sie sich intelligenter verhalten als so manch erwachsener Genrekollege, ohne dabei jedoch altersunpassend zu werden. Der ganz große Wurf ist Emelie sicher nicht, aber doch ein unterhaltsamer, fieser, kleiner Thriller, den es sich durchaus lohnt, auf dem Festival zu sehen. Wer ihn dort aus welchen Gründen auch immer verpasst: Ein deutscher Verleih ist zwar bislang nicht angekündigt, der Film soll aber noch vor Sommer auf Netflix erscheinen.
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