(„Howl“ directed by Paul Hyett, 2015)
Schon unter normalen Umständen ist sein Job undankbar: Der wenig durchsetzungsstarke Schaffner Joe (Ed Speelers) hat wenig zu sagen, darf sich dafür aber allerhand Unverschämtheiten durch die Fahrgäste anhören. Und nun auch noch das! Mitten in der Nacht hält der Zug in einer Waldgegend. Die Nerven der Passagiere (u.a. Shauna Macdonald, Elliot Cowan und Amit Shah) liegen schnell blank, umso mehr, da der Fahrer nirgends zu finden ist, keiner sagen kann, wann es weitergeht. Was tun? Warten, das steht für die meisten fest, kommt nicht infrage. Der Versuch der Truppe, sich selbst zu helfen und zur nächsten Station zu laufen, muss jedoch vorzeitig abgebrochen werden, als sie feststellen, dass da noch jemand anderes in den Wäldern unterwegs ist. Etwas anderes. Etwas mit großem Appetit auf Menschenfleisch.
Rund zweieinhalb Jahre nach seinem Debüt The Seasoning House gab es letztes Jahr für die Besucher des Fantasy Filmfests ein Wiedersehen mit dem englischen Regisseur Paul Hyett. Abgesehen von dem gemeinsamen Festival-Rahmen, den düster-stimmungsvollen Bildern und einem Mini-Auftritt von Sean Pertwee (Butler Alfred aus Gotham) könnten beide Werke jedoch unterschiedlicher kaum sein. War der erstgenannte ein harter Ausflug in die Welt des Menschenhandels, ist Howl eine zwar nicht minder blutige, oft aber auch humorvolle Verneigung vor den Werwolfstreifen von anno dazumal.
Dazu passt der wohl auch durch das geringere Budget bedingte Look der nächtlichen Aggressoren: Hyett, der ursprünglich aus der Make-up/Spezialeffekte-Abteilung kommt, verzichtet auf große Computerspielereien und präsentiert seinem Publikum handgemachten Horror der alten Schule. Anders als die doch sehr klassischen Werwölfe der spanischen Kollegen von Game of Werewolves ist die britische Variante ein wenig spezieller, sehen aus wie die Höllenvariante eines Fauns. Zu sehen bekommt man diese jedoch erst recht spät, lange Zeit sind die Bestien eine ominöse Bedrohung in den dunklen, nebelverhangenen Wäldern, die man in erste Linie hört, die bis zum Schluss auch gar nicht erklärt wird.
Stattdessen stehen hier die Menschen im Vordergrund. Mehr als ein paar Minuten braucht Hyett dabei nicht, um die wichtigsten Infos mit auf den Weg zu geben, wer hier welche Rolle zu erfüllen hat. Das liegt auch daran, dass sie größtenteils den gängigen Genreklischees entsprechen. Zwei der Passagiere dürfen sich später mal von einer etwas unerwarteten Seite zeigen, ansonsten vermied man bei der Figurenzeichnung größere Risiken und Nebenwirkungen. Allgemein versucht Howl nicht, dem altehrwürdigen Werwolfhorror neue Impulse zu versetzen, größere Überraschungen bleiben während des nächtlichen Alptraums aus. Aber auch größere Ärgerlichkeiten, dafür ist das Ganze zu routiniert.
Dass sich die panisch umherlaufenden Fahrgäste oft selbst im Weg stehen und einen Hang dazu haben, genau das Falsche zu tun, gehört zu dem Spiel irgendwie dazu. Umso mehr, da es in Howl keinen Mangel an unsympathischen Figuren gibt, bei denen man freiwillig die Werwölfe anfeuert. Die lassen es sich dann auch nicht nehmen, die Passagierzahl kontinuierlich und blutig zu verringern. Spannend ist das durchaus, nicht zuletzt aufgrund des atmosphärischen, leicht klaustrophobischen Szenarios, das keinen Platz für Sicherheit enthält. Und an der einen oder anderen Stelle darf auch mal ein wenig gelacht werden. Ein neuer Klassiker ist aus diesen Bestandteilen nicht entstanden, in dem an Trash nicht armen Segment gehört Howl aber sicher zu den besseren Genrevertretern und bietet solide Unterhaltung für den nächsten Videoabend.
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