(„Much Loved“ directed by Nabil Ayouch, 2015)
Es ist keine gewöhnliche Arbeit, der Noha (Loubna Abidar), Soukaina (Halima Karaouane) und Randa (Asmaa Lazrak) da nachgehen, zumindest nicht in Marrakesch. Während sie tagsüber in einer kleinen, einfachen Wohnung hausen, verwandeln sie sich nachts in aufregende Vamps, die Arabern und Europäern jeden Wunsch von den Lippen ablesen. Insgeheim träumen die drei vorlauten Prostituierten aber davon, eines Tages dadurch den richtigen Mann kennenzulernen, der sich um sie kümmert und ihnen ein anderes, besseres Leben ermöglicht.
Die Hure mit dem goldenen Herz ist eine immer mal wieder gern von Filmemachern eingesetzt Figur. Nicht so bei Much Loved. Golden sind die Herzen der drei nicht, angesichts ihrer sehr derben Ausdrucksweise und ihres rüden Umgangs miteinander rücken da ganz andere Qualitäten in den Vordergrund. Nein, ein Sozialmärchen hatte Regisseur und Drehbuchautor Nabil Ayouch sicher nicht im Sinn, als er sich in seinem neuesten Werk in die Welt der marokkanischen Prostitution wagte. Von einem solchen mag das Trio vielleicht träumen, in einzelnen Momenten auch näherkommen. Am Ende wartet aber doch immer die Demütigung, die Abweisung, die Armut.
Damit ist das Drama vielmehr um Authentizität bemüht, was ihm über weite Strecken auch gut gelingt. So ist Much Loved von einem ständigen Wettkampf von außen und innen geprägt, und von der Verlogenheit, die damit einhergeht. So geht Noha tagsüber züchtig mit Schleier und Gewand durch die Straßen, nachts presst sie den Männern ihren Hintern ins Gesicht. Die wiederum leben ihre sexuellen Fantasien aus, dürfen zu jemand anderem werden, jemand begehrenswerten, gehen anschließend wieder heim zu Frau und Kind. Die Polizei lässt für kleine Gefälligkeiten Anklagen fallen oder hängt einer unschuldigen dritten Person an. Und dann wäre da noch Nohas Mutter, die ihrer Tochter ständig Vorwürfe über ihren Lebensstil macht, das dabei herausspringende Geld aber dennoch willig einsteckt.
Nein, schön ist die Welt nicht, vielmehr deprimierend bis abstoßend. Eine Welt, in der es schwer fällt, auch nur eine Person zu finden, die einem sympathisch ist, dafür ist hier jeder zu sehr auf seinen eigenen Vorteil fixiert. Das macht Much Loved glaubwürdig, lädt aber nicht unbedingt dazu ein, mit den Protagonisten mitzufühlen. Die eigene Distanz zum Geschehen hängt aber auch damit zusammen, dass vieles hier nicht so wirklich ausgearbeitet wurde. Randa vermutliche Homosexualität wird beispielsweise nur angedeutet, dann aber wieder recht schnell fallengelassen. Auch sonst erfährt man nicht viel über die junge Dame, die irgendwie gar nicht dazuzugehören scheint. Die Hure, das unbekannte Wesen.
Da hätte man gern doch noch ein bisschen mehr erfahren, für derlei introspektive Momente bleibt aber kaum Platz, der wird für die auf Dauer ermüdenden Keifereien der drei gebraucht. Und natürlich auch für die Begegnungen mit den Männern, die wie so manches in dem Film zu sehr auf Klischees vertrauen. Das ist dann auch das größte Problem von Much Loved: Man nimmt Ayouch durchaus ab, was er da zu erzählen hat, was aber auch damit zusammenhängt, dass einem das Ganze irgendwie bekannt vorkommt. Wäre da nicht das ungewohnte Setting Marokkos, vor dessen Kulissen sich die drei Glückssuchenden räkeln, ihr Auftritt wäre nur eine von vielen. Vor allem ist sie schnell erzählt: Nach dem gekonnt schockierenden Auftakt, in der Frauen zu einem Objekt degradiert werden, tut der Film nur wenig dafür, die Geschichte voranzutreiben. Es wird weitergestritten, es wird weiter in Betten oder an anderen Orten herumgeturnt, ohne dass dabei wirklich etwas passieren würde, bis dann irgendwann alles vorbei ist.
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