New World

New World (2015)

(„Nowy Świat“ directed by Elżbieta Benkowska, Łukasz Ostalski and Michał Wawrzecki, 2015)

New WorldNowy Świat“, zu Deutsch „Neue Welt“, das ist ein gleich in mehrfach passender Name, den sich die drei polnischen Jungregisseure Elżbieta Benkowska, Łukasz Ostalski und Michał Wawrzecki für ihren gemeinsamen Episodenfilm ausgesucht haben. „Nowy Świat“, das ist der Name einer Straße in Warschau, wo die drei Geschichten spielen. Eine neue Welt ist aber auch das, was die jeweiligen Protagonisten suchen, die ihren Weg aus den unterschiedlichsten Ländern nach Polen gefunden haben, um das alte Leben hinter sich zu lassen – in mehr als nur einer Hinsicht.

Zanna ist die alltäglichste der drei Geschichten und erzählt das Schicksal der gleichnamigen Weißrussin (Olga Kavalay-Aksenova), deren Mann aufgrund von politischer Musik im Gefängnis sitzt. Eine Tragödie, so scheint es nach außen hin, für die Gerechtigkeit, für ihn, für sie, für das gemeinsame Kind. Dabei ist Zanna gar nicht so unglücklich über den Zustand, ist sie doch längst in ihren Anwalt verliebt und plant mit ihm eine neue Zukunft. Die Lebensumstände von Zanna mögen ungewöhnlich sein, zumindest hierzulande ist die Vorstellung eines wegen politischer Aussagen inhaftierten Künstlers befremdlich. Aber Regisseurin Elżbieta Benkowska ist gar nicht so sehr an Politik interessiert als vielmehr an der grundsätzlichen Sehnsucht nach Neuanfang und Stabilität, welche offensichtlich in Zannas geplantes Beziehungsende hineinspielt. Und an der innerlichen Zerrissenheit, die mit einem solchen Zwischenstatus einhergeht. Das ist nicht spektakulär, dafür lädt die ruhig erzählte und glaubhaft gespielte Episode aufgrund ihrer Allgemeingültigkeit ein, mit Zanna mitzufühlen.

Das ist bei Azzam (Hassan Akkouch), der Titelfigur von Michał Wawrzeckis Episode, schon schwieriger. Mit einer hinreißend albernen Essensschlacht fängt es an, später wird die Geschichte durch Flashbacks aus Afghanistan unterbrochen – der Heimat Azzams. Inzwischen arbeitet er in einem polnischen Club, wo er offensichtlich das Objekt der Begierde sowohl einer Kollegin wie auch seines Chefs ist. Letzteres wird nie ganz ausformuliert, ist aber sowohl während der Essensschlacht wie auch an anderen Stellen deutlich zu spüren. Wo Azzam hierbei steht, das bleibt jedoch das große Rätsel. Insgesamt verrät Wawrzeckis nicht viel über seine Protagonisten, was Azzam ein wenig sperrig und unbefriedigend macht. Und doch ist auch hier die Zerrissenheit schön umgesetzt, eine Zerrissenheit zwischen zwei Ländern, zwei Menschen, zwei Neigungen, einhergehend mit dem Bedürfnis nach Selbstfindung. Allerdings bleibt Azzam hierbei zu phlegmatisch, lässt sich zu sehr von anderen treiben, anstatt selbst zu treiben und eine Entwicklung zu zeigen.

Da ist die ukrainischstämmige Vera (Karina Minaeva) ganz anders, die einzige der drei Protagonisten, die tatsächlich Eigeninitiative zeigt und aktiv das neue Leben sucht. Allerdings ist bei ihr auch der Leidensdruck am größten, ist sie doch eigentlich ein er und möchte das gar nicht sein. Schon länger trägt sie Frauenkleidung, eine geplante Geschlechtsumwandlung soll das Glück perfektionieren. Ihr konservativ eingestellter und länger entfremdeter Vater ist darüber jedoch alles andere als glücklich, empfindet es als eine Schande, was sein Sohn da treibt. Dass er überhaupt den Kontakt zu ihm sucht, liegt an den Umständen: Veras Sohn, der sie/ihn nie kennengelernt hat, hat kürzlich seine Mutter verloren und steht nun allein da, höchste Zeit, dass Vera sich um ihn kümmert. Was ihr wiederum gar nicht in den Plan passt. Eine Geschichte über Geschlechtsumwandlung erzählen zu wollen, das ist in dem in dieser Hinsicht nicht allzu offenen Polen schon mutig, weshalb Regisseur Michał Wawrzecki auch Respekt gebührt. Allerdings ist diese eher gut gemeint als wirklich gut, die Ausgangslage um den doppelt verlorenen Sohn ist zu konstruiert, zudem wird Vera später bei der erneut doppelten Annäherung sehr konventionell – es muss mal wieder ein Unglück her, um die Leute zusammenzuschweißen. Schade um die verpasste Chance.

Insgesamt macht New World nicht so wahnsinnig viel aus der sehr aktuellen und spannenden Frage, wie Immigranten in Polen ein neues Leben beginnen. Bei Azzam spielt der Aspekt der fremden Herkunft immerhin noch in die Geschichte hinein, bei den beiden anderen ist das völlig nebensächlich – die Protagonisten hätten echte Polen sein können, ohne dass dies das geringste geändert hätte. Lässt man diesen Anspruch einmal weg, bleiben aber immerhin drei zwischen durchschnittlich und gute Filme über schwierige Neuanfänge. Ein regulärer Deutschlandstart ist bislang nicht angekündigt, vom 20. Bis 27. April besteht jedoch die Gelegenheit, das Dreifachwerk im Rahmen des FilmPolska Festivals in Berlin zu sehen.



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Drei Schicksale, die sich gleich in mehrfacher Hinsicht um das Thema Neuanfang drehen werden hier von polnischen Jungregisseuren erzählt. Bei einigen davon hätte es mehr Hintergründe gebraucht, die Glaubwürdigkeit lässt ebenfalls manchmal zu wünschen übrig. Dennoch ein insgesamt solides und gut gemeintes Nachwuchswerk.
6
von 10