Patlabor
© 1989 HEADGEAR / EMOTION / TFC

(„Kidō keisatsu patorebā“ directed by Mamoru Oshii, 1989)

PatlaborNachdem wir letzte Woche in Die Katze des Rabbiners fast 100 Jahre zurück in die Vergangenheit gereist sind, steht im 102. Teil unseres fortlaufenden Animationsspecials wieder die Zukunft auf dem Programm. Oder zumindest das, was man bei dem inzwischen über 25 Jahre alten Klassiker für die Zukunft hielt.

Im Jahr 1999 hat der Platzmangel in Tokio neue Dimensionen angenommen, große künstliche Inseln, die im Rahmen des Babylon-Projekts vor der Bucht errichtet werden, sollen den Menschen eine neue Heimat bieten. Ein ambitioniertes Projekt, das sich nur mithilfe riesiger „Labor“ genannter Roboter realisieren lässt. Doch genau die sind es, die in letzter Zeit Probleme machen: Seitdem sie ein neues Betriebssystem haben, kommt es immer wieder zu Fällen, dass ein Labor Amok läuft und alles um ihn herum zerstört. Eine Gruppe junger Polizisten soll dem Phänomen nachgehen und kommt dabei schnell zu dem Schluss, dass das kein bloßer Unfall war, sondern jemand gezielt manipuliert.

Wer in das Patlabor-Universum einsteigen möchte, der hat zunächst die Qual der Wahl: Es gibt eine langjährige Manga-Reihe, diverse Anime- und Realfilme, eine Fernsehserie und zwei Direct-to-Video-Produktionen, die mal zusammenhängen, mal auch wieder nicht, dabei größtenteils auch noch parallel entstanden sind. Da ist Verwirrung vorprogrammiert. Aus deutscher Sicht ist das ein wenig einfacher, schließlich haben es bislang nur die drei zwischen 1989 und 2002 entstandenen Animefilme hierher geschafft. Und auch wenn die letztendlich die Fortsetzung der Mini-Serie Patlabor: Early Days darstellen, der ersten Animevariante des Franchises, muss man letztere nicht unbedingt gesehen haben, um dem Geschehen folgen zu können. Dass es hier um eine Zukunftsgeschichte geht, in der riesige Roboter Alltag geworden sind, das versteht man auch so.

Wobei die Zukunft hier relativ bescheiden ausfällt. Wo sich Science-Fiction-Anime sonst gern mit neu geschaffenen technischen Möglichkeiten gegenseitig übertrumpfen, würde man hier von den Robotern abgesehen kaum merken, dass die Geschichte zehn Jahre in der Zukunft spielen soll. Immer wieder sind die Polizisten während ihrer Ermittlungen in Gegenden unterwegs, die schon Jahre weder Fortschritt noch Menschen gesehen haben. Und spätestens, wenn zum actionreichen Ende hin einer der Roboter einen überdimensionalen Revolver verwendet, dann ist Patlabor selbst für einen Film aus dem Jahr 1989 erstaunlich Retro.

Allzu viel Action sollte man aber ohnehin nicht erwarten, anders als viele andere Mecha-Animes, in denen es hauptsächlich darum geht, möglichst viel in Schutt und Asche zu legen, ist Patlabor in erster Linie ein Krimi. Ein nachdenklicher Krimi. Wie in seinem sechs Jahre später folgenden Magnum Opus Ghost in the Shell finden sich in Mamoru Oshiis Genre-Vorgänger diverse technologieskeptische Szenen, in denen das Verhältnis von Mensch und Maschine thematisiert wird. Ganz so abgefahren-philosophisch wie dort wird es hier jedoch noch nicht, die Geschichte um amoklaufende Roboter schneidet vieles nur an. Manches hätte dabei durchaus noch etwas mehr vertieft werden dürfen, gerade der mysteriöse Gegenspieler und dessen Motivation erschließen sich bis zum Schluss kaum. Dafür gibt es vereinzelt humorvollere Momente, was zum einen den etwas unbedarften, manchmal cartoonhaften Protagonisten zu verdanken ist, aber auch den in mehrfacher Hinsicht komischen Perspektiven.

Allgemein ist die Zusammenarbeit von Studio Deen (Angel’s Egg, Higurashi – When They Cry) und dem später in Production I.G (Jin-Roh, Giovannis Insel) umbenannten IG Tatsunoko trotz des Alters noch gut anzusehen. Einiges ist sicher nicht mehr zeitgemäß, etwa die starren Hintergründe, auch die Animationen in den schnelleren Szenen sind nicht ganz auf der Höhe. Über weite Strecken ist Oshii bei diesem Kinofilm aber ein stimmungsvoller Blick auf ein Japan im Umbruch gelungen, welches die Zukunft sucht und dafür die Vergangenheit zu zerstören bereit ist – wortwörtlich. Schade, dass der im Ausland als Klassiker geltende Streifen hierzulande nie wirklich die verdiente Anerkennung bekommen hat, denn mit seiner Mischung aus Spannung, Nachdenklichkeit und Humor ist Patlabor mehr als nur ein nostalgisches Überbleibsel der ersten großen Anime-Welle in den 90ern.



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Wie in „Ghost in the Shell“ später ist auch das frühere Science-Werk-Werk von Mamoru Oshii eine Mischung aus ruhiger Kriminalarbeit und nachdenklichen Momenten zum Verhältnis Mensch und Maschine. Das wird zwar nie wirklich tiefgründig, ist dafür aber humorvoller und trotz kleinerer Mängel noch heute gut anzusehen.
7
von 10