(„Sherlock – The Abonimable Bride“ directed by Douglas Mackinnon, 2015)
Es ist schon ein sehr seltsamer Fall, mit dem Inspector Lestrade (Rupert Graves) da ankommt: Eine Frau bringt sich um und taucht kurze später wieder auf, um ihren Mann umzubringen. Wie soll das funktionieren? Aber seltsame Fälle sind dem Meisterdetektiv Sherlock Holmes (Benedict Cumberbatch) am liebsten, sind sie doch eine willkommene Gelegenheit, den eigenen Geist zu fordern. Oder in dem Fall zu überfordern, denn auch Holmes und Dr. Watson (Martin Freeman) finden keine rechte Antwort. Just als die Angelegenheit zu einem der seltenen Niederlagen Sherlocks zu werden droht, erzählt ihm dessen Bruder Mycroft (Mark Gatiss) von einem geheimen Krieg, der mit genau diesem Fall zu tun hat und der das Schicksal ganz Englands zu ändern verspricht.
Wie die Zeiten sich ändern! Als vor einigen Jahren bekannt wurde, die berühmte Romanfigur Sherlock Holmes von Sir Arthur Conan Doyle würde in die Gegenwart versetzt, wo er auch mit Hilfe von Computern und Handys seine Fälle löst, da waren die Skepsis, wenn nicht gar Empörung groß. „Wer braucht denn sowas?“ Eine ganze Menge, Sherlock wurde zu einer der meistgefeierten Serien weltweit. Mehr noch: Als die Macher ankündigten, eine Sonderfolge drehen zu wollen, die wie die literarische Vorlage im Viktorianischen England spielt, waren die Reaktionen auf die Rückkehr in die Originalzeit fast ebenso ablehnend. „Wer braucht denn sowas?“ Die Antwort hierauf fällt jedoch deutlich gemischter aus, ist Die Braut des Grauens schließlich gleichzeitig wie erwartet und doch völlig anders.
Auch wenn die Technik innerhalb diesen neuen alten Zeitrahmens nicht mit denen der Neuzeit konkurrieren können, fanden die Macher doch diverse Gelegenheiten, die gewohnten Spielereien einzubauen: Da wird ein Tatort zur Bühne, Zeitungsmelden fliegen ins Bild, die Kameras wirbeln herum, als wüssten sie nicht, wo sie hingehören. Und auch auf den typischen Humor müssen die Fans nicht verzichten, zu den bewährten Hochgeschwindigkeitsdialogen kommen diverse Metakommentare, welche sowohl die eigene Serie wie auch die Zuschauer köstlich aufs Korn nehmen. Gerade zu Beginn schießt Die Braut des Grauens ein Feuerwerk an witzigen Einfällen ab.
Zu den Stärken des Specials zählt auch erneut die erstklassige Besetzung, die in fast unveränderter Form hier wieder zusammenfand – wenn auch in einer etwas anderen Form als in der Serie. Ein Widerspruch? Jein, vielmehr stellt Die Braut des Grauens eine selbstironische und selbstbewusste Variation der TV-Vorlage dar, die neben den üblichen Anspielungen auf die Originalbücher von Doyle nun auch sehr viele auf die Serie enthält. Für deren Fans ist das ein Fest, darf man sich hier doch wie ein echter Insider fühlen und so manche Szene wiedererkennen. Neulinge haben hingegen weniger zu lachen, das nicht ohne Grund als „Intermezzo“ betitelte Zwischenwerk ist so fest mit der Serie verknüpft, dass es ohne sie nicht wirklich funktioniert. Wie fest, dämmert den Zuschauern aber erst nach und nach, wie in einem guten Krimi üblich ist hier vieles nicht so, wie es scheint.
Tatsächlich hat der Krimiteil im Vergleich zu der in der Hinsicht enttäuschenden dritten Staffel wieder zugenommen. Zwischenzeitlich darf es sogar wieder spannend werden, wenn Die Braut des Grauens geschickt die Grenzen zwischen der Realität, Träumen und einer jenseitigen Welt zu verwischt. Später verlagert sich das Geschehen jedoch, der Fall wird zur Nebensache, zu einem reinen Mittel zum Zweck. Mit der bisherigen Krönung von Sherlock, der fantastischen Staffel 2, kann es das Special daher nicht aufnehmen, die Verknüpfung der Krimi- wie sonstigen Elemente ist hier nicht ganz so gelungen wie dort, teilweise sogar frustrierend voneinander getrennt. Als Zwischenmahlzeit, bevor es hoffentlich nächstes Jahr richtig weitergeht, ist das Special jedoch mehr als willkommen, enthält neben den üblichen Vorzügen eine wunderbare historische Ausstattung und eine verstörend intensive Sequenz, in der Sherlock auf seinen großen Gegenspieler Moriarty (Andrew Scott) trifft und die zu den absoluten Höhepunkten in der an solchen nicht unbedingt armen Serie zählt.
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