(„Sherlock Holmes and the Leading Lady“ directed by Peter Sasdy, 1991)
Nicht auszudenken, was passiert, wenn die aus der Ferne auszulösende Bombe in die falschen Hände gerät. Und eben das scheint der Fall zu sein, nachdem dessen Erfinder in einer Oper ermordet aufgefunden wird. Um das Desaster doch noch zu verhindern, werden der englische Meisterdetektiv Sherlock Holmes (Christopher Lee) und sein Gehilfe Dr. Watson (Patrick Macnee) nach Wien geschickt, wo sie nicht nur die Täter ausfindig machen sollen, sondern auch die Baupläne und den Prototypen. Schnell verwischen dabei jedoch die Grenzen zwischen Beruf und Privatem: Ausgerechnet Irene Adler (Morgan Fairchild) ist eine wichtige Zeugin des Mordes und Holmes noch in bester Erinnerung.
Bei mehr als 250 Film- und Fernseh-Adaptionen von Sherlock Holmes, die seit 1900 entstanden sind, ist es kein großes Wunder, wenn viele davon in Vergessenheit geraten sind. Selbst dann, wenn sie es aufgrund der Besetzung eigentlich nicht sein sollten. Beispiel: Sherlock Holmes und die Primadonna. 1991 als erste von zwei TV-Filmen entstanden, kann sich der Zweiteiler immerhin damit brüsten, Christopher Lee für die Rolle des Holmes und Patrick Macnee (Mit Schirm, Charme und Melone) als Watson gewonnen haben zu können. Dabei handelte es sich nicht um sehr versierte und namhafte Schauspieler, beide hatten ihre jeweiligen Rollen schon zuvor in anderen Zusammenhängen übernommen.
Ebenso wenig verwunderlich ist dann auch, dass die beiden mit sehr viel Routine zur Sachen gehenden Schauspiellegenden der Höhepunkt von Primadonna sind. Macnee kommt dabei die Aufgabe des komischen Sidekicks zu, Lees die des Denkers. Zumindest ein wenig. Von der üblichen Brillanz von Holmes ist hier wenig zu merken: Nicht nur, dass seine Schlussfolgerungen nicht annähernd so verblüffend ist, er sie teilweise auch seinem Umfeld überlässt, er darf sich in Gegenwart seines alten Schwarms Adler auch von seiner menschlichen Seite zeigen.
Allgemein ist Primadonna für Krimifans nur wenig interessant. Wer der Mörder ist, wird hier gar nicht erst verschleiert, stattdessen sind wir von Anfang an dabei, wenn die Gegenspieler ihre Untaten planen. Vielmehr geht es darum, wie Holmes diesen auf die Schliche kommt und das Ganze noch verhindern kann, denn zumindest was die Ambitionen betrifft, da sind die bösen Buben in der Weltklasse zu Hause. Damit erinnert der Film stärker an die Thrillervarianten von Sir Arthur Conan Doyle, wo spannende Abenteuer die klassische Spurensuche ersetzen.
So richtig spannend ist Primadonna jedoch nicht. Das liegt zum einen daran, dass die Laufzeit von drei Stunden doch recht großzügig bemessen ist, es viel mitunter willkürlichen Leerlauf gibt, die eigentliche Geschichte hier sehr viel schneller hätte erzählt werden können. Zum anderen waren die beiden Hauptdarsteller seinerzeit schon nah an der 70-Grenze. Große Actionszenen sind da natürlich nicht mehr zu erwarten, der eine Versuch, doch eine umzusetzen, ist eher putzig als nervenaufreibend. Da war Mr. Holmes unlängst konsequenter, indem der Meisterdetektiv eben auch in seinem Alter thematisiert wurde. Hier wird hingegen so getan, als sei alles beim Alten, egal wie glaubwürdig das Ergebnis ist. Was den Film – neben seiner Besetzung – jedoch auszeichnet, ist das Bemühen, die Geschichte in einen tatsächlichen historischen Kontext zu packen. Hier findet das Geschehen nicht losgelöst von allem statt, sondern enthält einige reale Personen von 1910 und einige überraschend politisch Untertöne, welche die zwischenzeitlichen Längen zwar nicht ausgleichen, den Film aber doch aufwerten.
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