(„Captain America: Civil War“ directed by Anthony Russo, Joe Russo, 2016)
Erfolgreich sind die Avengers bei ihren Kämpfen gegen Verbrecher zweifelsfrei, so auch in Lagos, wo sie einen Angriff auf ein Institut für Seuchenkrankheiten abwehren können. Aber es ist ein teuer erkaufter Erfolg, immer wieder sind während der Einsätze zivile Opfer zu beklagen. Als auch in der Bevölkerung die Stimmung zunehmend zu kippen droht, sieht die US-Regierung keinen anderen Ausweg mehr: Die Superhelden sollen in Zukunft nicht mehr eigenständig handeln dürfen, sondern nur noch auf Anweisung der UNO. Während der von Schuldgefühlen geplagte Tony Stark (Robert Downey Jr.) schnell zusagt, ist Steve Rogers alias Captain America (Chris Evans) wenig von der Idee angetan. Als der erste Befehl auch noch lautet, Steves alten Freund Bucky Barnes alias Winter Soldier (Sebastian Stan) zu jagen, am besten gleich zu töten, beschließt er, sich dem Befehl zu widersetzen – und stellt damit die ganze Truppe vor eine große Zerreißprobe.
Ein bisschen leid können einem die Leute hinter dem geplanten DC Extended Universe ja schon tun. Nicht nur, dass sie sich kürzlich für Batman v Superman: Dawn of Justice eine Menge Spott anzuhören hatten, kurze Zeit später erscheint auch noch ein Film des Erzrivalen Marvel, der gleich ein Dutzend Superhelden gegeneinander antreten lässt und dabei eine deutlich stimmigere Geschichte zu erzählen hat als der Zweikampf. Ein bisschen unfair ist der Vergleich jedoch: Wo Marvel seit nunmehr acht Jahren Grundsteine für immer neue Abenteuer legt und inzwischen aus einem reichen Fundus schöpft, musste das bei DC deutlich schneller gehen. Tatsächlich ist The First Avenger: Civil War dann auch weniger ein Einzelfilm als vielmehr die konsequente Fortsetzung von sowohl Avengers: Age of Ultron wie auch The Return of the First Avenger – inhaltlich, atmosphärisch und personell.
Der Nachteil, der auch schon diverse Vorgänger geplagt hat: Das Marvel Cinematic Universe wird immer mehr zu einem Insider-Club, der viel Vorwissen voraussetzt, um den Film auch wirklich genießen zu können. Wo andere Teile sich jedoch auf launige Anspielungen beschränkten, wird es bei The First Avenger: Civil War essentieller. Der grundsätzlichen Geschichte zu folgen, ist nicht weiter schwer, aber nur, wer mit den Figuren etwas anfangen kann, wird deren Tragweite verstehen können. Die Vorstellungsrunde ist lang vorbei, wer Captain America, Iron Man und Konsorten nicht kennt, erfährt hier weder, wer die Figuren sind, noch in welcher Beziehung sie zueinander stehen. Außerdem führt das umfangreiche Ensemble, das sogar noch um diverse Schlüsselspieler erweitert wird, dazu, dass wie zuletzt bei Avengers: Age of Ultron auch trotz einer Laufzeit von zweieinhalb Stunden nur begrenzt Raum für den Einzelnen bleibt.
Am besten sind die Motivationen der beiden Hauptkontrahenten ausgearbeitet, bei anderen sind sie zumindest nachvollziehbar. Diverse Teammitglieder scheinen hingegen nur dabei zu sein, weil sie gerade Zeit hatten und man das Dutzend noch irgendwie vollkriegen musste. Ohnehin sollte man nicht mit den allerhöchsten Ansprüchen an den Inhalt gehen, dafür ist vieles, besonders was den mysteriösen von Daniel Brühl gespielten Gegenspieler angeht, doch zu konstruiert und von Zufällen bzw. Querverbindungen abhängig. Was The First Avenger: Civil War jedoch gut gelingt, ist die beiden Positionen greifbar zu machen. So greifbar, dass es nicht ganz leicht ist, sich überhaupt für eine von beiden zu entscheiden. Schon in The Return of the First Avenger schlugen die ansonsten eher auf Spaß ausgerichteten Marvel-Figuren ungewohnt düstere Töne an. Das wird nun ausgebaut. Was dort jedoch eher politischer Natur war, wird hier zu einer ganz grundsätzlichen Frage: Wie viel individuelles Leid ist moralisch noch vertretbar, um ein größeres zu verhindern?
Natürlich darf es bei aller Nachdenklichkeit aber auch wieder gehörig rumsen und knallen. Und hier zeigen sich die Marvel-Heroen von ihrer Schokoladenseite, bei The First Avenger: Civil War treffen Effektgewitter auf physische Action, jeder darf ausgiebig seine besonderen Fähigkeiten zur Schau stellen. Anders als bei den Avengers-Teilen, wo es nur um gesichtsloses Kanonenfutter ging, sind die Kämpfe innerhalb der Teams natürlich deutlich spannender und abwechslungsreicher, gipfeln in einem energiegeladenen Showdown, der zu den Höhepunkten der gesamten Marvel-Reihe gehört – selbst wenn der letzte Mut gefehlt hat, aus der Auseinandersetzung eine wirkliche auf Leben und Tod zu machen. Aber das durfte man bei einer solchen Cash Cow wohl kaum erwarten, vielmehr wird hier schon einmal die Bühne für diverse Folgefilme bereitet. Und das so geschickt, dass sich die beiden Hauptneuzugänge nahtlos einfügen und man sich schon auf deren bereits angekündigten Soloauftritte freut – was bei einem 13. Teil einer Reihe nicht unbedingt selbstverständlich ist, vor allem einer, die sich zuletzt Kritik an ihrer Formelhaftigkeit gefallen lassen musste. Das Rad neu erfunden wird sicher nicht, Phase 3 aber doch stimmungsvoll und geschickt variiert eingeleitet.
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