The Jungle Book
© 2016 Disney

The Jungle Book

(„The Jungle Book“ directed by Jon Favreau, 2016)

„The Jungle Book“ läuft ab 14. April im Kino

Eigentlich hätte das junge Menschenkind Mogli (Neel Sethi) keine großen Überlebenschancen gehabt, als es seinen Vater verlor und nun mutterseelenallein im großen indischen Dschungel war. Zu seinem Glück wurde es kurz darauf jedoch von Panther Baghira gefunden, der den Jungen in die Obhut von Wolfsmutter Rakcha gegeben hat. Weniger glücklich darüber ist jedoch der Tiger Schir Khan, der alle Menschen aus tiefstem Herzen hasst und aus seinem Dschungel vertrieben sehen will. Oder besser noch: getötet. Um Mogli und seine Ziehfamilie zu schützen, wird daraufhin der Beschluss gefasst, ihn zu einem Menschendorf zu bringen. Doch das ist leichter gesagt denn getan, warten doch unzählige Gefahren auf dem Weg dorthin – nicht zuletzt durch Schir Khan, der sich seine Beute nicht nehmen lassen will.

1 Milliarde Dollarweltweites Einspielergebnis bei Alice im Wunderland, 750 Millionen Dollar bei Maleficent, 540 Millionen Dollar bei Cinderella – mit dem Plan, die früheren eigenen Zeichentrickfilme als Realfilmfassung noch einmal in die Lichtspielhäuser zu bringen, bewies Disney ein goldenes Näschen. Und doch ist jedes Mal die Skepsis groß, wenn die nächste Adaption angekündigt wird. Gerade bei The Jungle Book konnte sich keiner so recht im Vorfeld mit der Idee anfreunden. Das Dschungelbuch als Realfilm? Würden die vor Persönlichkeit strotzenden Tiere als Computerprodukt wirklich den gleichen Charme haben, der den Klassiker auszeichnete? Offensichtlich hatten auch die Verantwortlichen bei Disney ihre Zweifel daran und beschlossen daher, bei ihrer dritten Verfilmung der Buchreihe von Rudyard Kipling ganz neue Wege zu gehen.

Wohin diese führen, zeigt bereits der Einstieg von The Jungle Book: Anstatt die Vorgeschichte von Mogli zu erzählen, sehen wir ihn zusammen mit den „echten“ Wolfsjungen durch den Dschungel rennen, die rasanten Kamerafahrten durch die beeindruckenden Naturlandschaften werden dabei von einer dramatischen Musik begleitet. Es ist eine vergleichsweise kurze Sequenz, die aber doch verdeutlicht, dass das hier alles actionreicher, spannender und bombastischer sein soll als 1967. Und auch düsterer.

War Das Dschungelbuch trotz der Bedrohung durch Schir Khan in erster Linie eine familienfreundliche Komödie, die durch ihre farbenfrohen, oft skurrilen Figuren und die zahlreichen Ohrwürmer ganze Generationen verzauberte, ist der Nachkomme fast schon erschreckend frei von Humor. Zwischenzeitlich hellt sich die Stimmung ein wenig auf, wenn Balu das Feld betritt, der sich auch im Jahr 2016 nicht die gute Laune vermiesen lassen will. Ansonsten aber betont The Jungle Book sehr viel mehr den Abenteuercharakter der Vorlage, zeigt deutlich die Gefahren eines Dschungels. Nicht nur dass der Tiger etwas von seiner vornehmen Art einbüßte und seine rohe Wildheit demonstrieren darf, auch Schlange Kaa und Affenkönig Louie, die als Zeichentrickvariante noch komische Qualitäten an den Tag legten, werden nun zu furchteinflößenden, diabolischen Monstern.

Bei Regisseur Jon Favreau wird der indische Dschungel aber nicht zu einem bloßen Ort des Horrors, sondern auch zu einem der Faszination. Fast 50 Jahre nach der ersten Disney-Version machten die seinerzeit recht simplen Hintergründe ausgefeilten Szenerien Platz, verwinkelt und voller Details, die dem Original Tribut zollen, dieses aber bei weitem übertreffen und The Jungle Book zu einem visuell aufregenden Erlebnis machen. Trotz seiner optischen Vorzüge und einer Geschichte, die zwar mit Klischees hantiert, aber im Vergleich zu dem Zeichentrickfilm tatsächlich etwas zu erzählen hat, aufnehmen kann es die Neuinterpretation mit Letzterem nicht. Dafür sind die am Rechner erstellten Tiere dann doch zu leblos, Mogli als Figur auch zu uninteressant. Im Gegenzug ist Favreau durch seine Schwerpunktverschiebung aber eine tatsächliche Alternative geglückt, welche die direkte Inhouse-Konkurrenz geschickt vermeidet, keine wirklichen Längen hat und mit Christopher Walkens Auftritt als Riesenaffe sogar einen echten Höhepunkt liefert – allein deshalb schon lohnt es sich, The Jungle Book einmal im Original anzuschauen.



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Auch wenn sich „The Jungle Book“ an manchen Stellen vor dem Zeichentrickklassiker verneigt, so ist die Neufassung doch deutlich actionreicher und düsterer geworden. Der Charme des Vorfahren fehlt, durch die Schwerpunktverschiebung ist die visuell aufregende Realfilmvariante aber eine tatsächliche Alternative.
7
von 10