(„Azur & Asmar“ directed by Michel Ocelot, 2006)
Von klein an standen sich der blonde, blauäugige Azur und der dunkelhäutige Asmar sehr nahe, wie Brüder waren sie zueinander. Bis zu jenem Tag, an dem Azurs Vater die gemeinsame Ziehmutter und Asmar verbannte. Erst Jahre später, die Jungen sind längst zu Erwachsenen geworden, sollen sich die beiden wiederbegegnen, als die zwei sich unabhängig voneinander auf die Suche nach der legendären Fee machen, die einer Geschichte zufolge, welche die Ziehmutter ihnen als Kinder erzählt hatte, in einem Verlies auf ihre Rettung wartet. Wer dies schafft, so die Legende, wird die Fee heiraten dürfen. Und davon träumen die nun zu Rivalen gewordenen Männer immer noch.
Der französische Regisseur Michel Ocelot ist einer der letzten großen Märchenerzähler unserer Zeit, der in seinen Animationsfilmen das Tor zu fremden, exotischen Welten öffnet und diese mit klassischen Fabeln verknüpft. So klassisch, dass man immer meinen möchte, sie entstammten tatsächlich einem mindestens mehrere Jahrhunderte alten Märchenbuch. Azur & Asmar beispielsweise wirkt mit seinen Feen, dem arabischen Setting und den riesigen Tieren so, als handelte es sich um ein längst vergessenes Werk aus Tausendundeine Nacht, welches er in einer Schublade gefunden hat.
Verstärkt wird das durch die grundsätzlich nie übersetzten arabischen Dialoge zwischendurch und die ungewöhnliche Optik, welche zu einem Markenzeichen Ocelots geworden ist. Wo andere Animationskünstler längst die Liebe zu dreidimensionalen Welten entdeckt haben, setzt der Franzose auch bei seiner ersten rein am Computer erstellten Arbeit nach wie vor auf das Spiel mit starren Hintergründen, meist von der Seite gezeigt. Das erinnert in den besten Momenten an seinen großen Durchbruch Kiriku und die Zauberin oder die Märchensammlung Tales of the Night. Vor allem im letzten Drittel gibt es wunderbare Szenen, eine Explosion von Farben und Formen, die sich an mittelalterlichen Gemälden orientiert und einen tatsächlich an einen anderen Ort, eine andere Zeit, eine andere Wirklichkeit entführt.
Vorher jedoch gibt es auch Szenen beispielloser Hässlichkeit, die es erst einmal zu verkraften gilt. Das Problem ist dabei weniger die intendierte Flachheit, welche den Film immer wieder einem Theaterstück gleichen lässt und die ihren ganz eigenen Reiz entwickelt, als vielmehr die Leblosigkeit. Die Figuren sind grob modelliert, haben regungslose Gesichtszüge und lassen bei der Bewegung jegliche Geschmeidigkeit vermissen. Und auch die Objekte sind so primitiv, detailarm und verschwommen zusammengezimmert, dass man kaum glauben mag, dass das französische Animationsstudio Mac Guff später einmal für die Welthits Ich – Einfach unverbesserlich und Minions verantwortlich sein sollte.
Inhaltlich ist Azur & Asmar ebenfalls etwas einfacher gestrickt. Lässt man das bezaubernde orientalische Flair einmal weg, bleibt eine simple Abenteuergeschichte mit klar definierten Figuren, welche klassische Tugenden wie Selbstlosigkeit, Mut und Toleranz propagiert – Letztere ausgerechnet dadurch, dass ein blonder, blauäugiger Mann von Arabern diskriminiert wird. Humor und Action, beide unabdingbar in heutigen Animationsfilmen, werden hier recht spärlich eingesetzt, die wundersamen Begegnungen mit den farbenfrohen Tieren in Windeseile abgearbeitet. Was schade ist, da etwa der feuerrote Löwe auch durch den starken Kontrast zu den Höhepunkten des Films gehört. Vorher sind die etwas rar gesät, Ocelot lässt sich schon sehr viel Zeit, bis er zu dem eigentlichen Abenteuer kommt, beschäftigt sich lieber mit den Hintergründen der arabischen Stadt und den wiederholten Gegensätzen. Aber auch wenn Azur & Asmar nicht zu den stärkeren Werken des Franzosen zählt, das kinderfreundliche Märchen ist aufgrund der positiven Aussagen und des ungewöhnlichen Drumherums mindestens einen Blick wert, etwas Vergleichbares wird man thematisch wie optisch anderswo kaum finden.
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