(„Ente gut! Mädchen allein zu Haus“ directed by Norbert Lechner, 2016)
Eine Familie muss zusammenhalten! Weil die Oma im fernen Vietnam plötzlich krank wurde, müssen sich die beiden Schwestern Linhs (Lynn Dortschack) und Tien (Linda Phuong Anh Dang) erst einmal allein durchschlagen. Schließlich wird die Mutter in der Heimat gebraucht, ihren Vater haben die beiden nie kennengelernt. Dabei schlagen sich die zwei ganz wacker, sogar den Familienimbiss halten sie am Laufen. Nur das Jugendamt darf natürlich nichts mitbekommen, sonst droht eine Abschiebung ins Heim. Und genau das könnte passieren, hat doch das Nachbarkind Pauline (Lisa Bahati Wihstutz) genau beobachtet, was Sache ist, und versucht die Schwestern nun mit diesem Wissen zu erpressen.
Offensichtlich hat er kleines Faible für Stoffe, die verschiedenste Themen zusammenbringen und kindgerecht verarbeiten: Erst kombinierte Regisseur Norbert Lechner in Tom und Hacke Motive aus Tom Sawyer mit einem Kinderkrimi, abgerundet durch viel bayerisches Lokalkolorit. Und nun reicht er in Ente gut! Mädchen allein zu Haus dem Zuschauer einen bunten Strauß, der von Integration über Mobbing bis zu Patchwork-Familien so ziemlich alles enthält, was einen in einer modernen Gesellschaft alles begegnen kann.
Im Mittelpunkt steht dabei die Begegnung der beiden vietnamesischen Mädchen und der deutschen Pauline. Etwas überraschend verzichtet Ente gut! Mädchen allein zu Haus jedoch darauf, das an und für sich naheliegende Culture-Clash-Potenzial auszuschlachten. Hin und wieder wird mit Klischees gearbeitet, meistens jedoch nur, um die Vorurteile der deutschen Bevölkerung bloßzustellen. Ansonsten geht es bei der vietnamesischen Familie recht normal zu. Wäre da nicht der ungemein große Zusammenhalt innerhalb der Familie, der immer wieder betont wird, in der Geschichte jedoch kaum zu spüren ist. Nicht nur, dass die Mutter keine großen Bedenken hat, die zwei Töchter zurückzulassen und sich anschließend nicht mehr bei ihnen meldet, auch sonst scheint sich im Umfeld keiner wirklich für die beiden zu interessieren.
Aber das braucht es auch nicht. In der Tradition von anderen Jugenddramen wie Jack ist Linh fast schon unheimlich kompetent und selbständig, ihren angeblichen zwölf Jahren weit voraus. Realistisch ist das nicht immer, so wie sich der Film allgemein nur zum Teil für Realismus interessiert. Auf der einen Seite werden zwar viele Themen angeschnitten, die direkt aus dem Leben gegriffen und für einen Kinderfilm auch erstaunlich anspruchsvoll gewählt sind. Vieles davon wirkt aber nicht so recht durchdacht, steckt voller kleiner Widersprüche oder zumindest weniger plausibler Elemente. Warum zum Beispiel ist Pauline, die sich kampf- und mutlos allen Demütigungen an der Schule ergibt auf einmal selbst jemand, der andere Leute unterdrückt? Vorbereitet wird dieser Charakterzug nicht, er steht mitten im Raum.
Das zweite Problem bei der Themenvielfalt: Ente gut! Mädchen allein zu Haus kann sich irgendwie nie entscheiden, worum es gehen soll. Vieles wird nur angeschnitten und anschließend achtlos wieder weggeworfen. Ob es nun besagtes Mobbing ist, eine Glückskekse betreffende Nebenhandlung oder auch die Suche nach dem leiblichen Vater, die dem Film noch kleinere Krimizüge verleiht – das hätte alles gern noch ein bisschen mehr ausgearbeitet werden dürfen, selbst bei einer anvisierten jüngeren Zielgruppe. Schöne Momente gibt es jedoch, gerade zum Ende hin, wenn es etwas märchenhafter wird. Und man merkt dem im Rahmen der Initiative „Der besondere Kinderfilm“, welche sich die Förderung neuer Stoffe zur Aufgabe macht, entstandenen Streifen auch an, dass er viel sagen will und auch zu sagen hat, zudem mit viel Warmherzigkeit zur Sache geht. Trotz des etwas holprigen Weges darf man den Film – Vertreter der Zielgruppe vorausgesetzt – deshalb durchaus mal in Augenschein nehmen.
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