(„Lamb“ directed by Yared Zeleke, 2015)
Nach dem Tod der Mutter gibt es nicht mehr viel, das den neunjährigen Ephraim (Rediat Amare) und seinen Vater Abraham (Indris Mohamed) in dem ärmlichen äthiopischen Dorf hält. Für den Vater steht dann auch fest: Es muss sich etwas ändern. Also beschließt er, das Glück in der Stadt zu suchen, während Verwandte sich um seinen Sohn und dessen Lamm Chuni kümmern sollen. Die willigen auch sofort ein, können aber nicht viel mit dem Neuankömmling anfangen. Vor allem Großcousin Solomon (Surafel Teka) stört sich daran, dass der Junge auf dem Feld zu nichts zu gebrauchen ist und stattdessen lieber kochen will – eine Tätigkeit, die in der ländlichen Gegend ausschließlich Frauen bestimmt ist.
Filme aus Afrika schaffen es ohnehin nur recht selten in hiesige Gefilde, einer aus Äthiopien dürfte für die meisten Zuschauer dann auch absolutes Neuland bedeuten. Allein deshalb schon genießt Ephraim und das Lamm einen beträchtlichen Exotenbonus, der die eigene Neugierde gehörig kitzelt. Wie sind die Filme dort? Welche Geschichten haben sie zu erzählen? Welche Bilder zu zeigen? Die Antwort liegt seit einigen Tagen auf DVD vor und besteht zum Teil aus Altbekanntem, zum Teil aber auch aus völlig Fremdem.
Die Aufnahmen der Landschaften und der Dörfer sind es, die einem das Gefühl geben, in einer anderen Welt gelandet zu sein, mit den kleinen schäbigen Häusern, Bussen, auf denen Schafe mitreisen, weite, trockene Flächen, in die sich nur manchmal Leben verirrt. Und natürlich ist Ephraim und das Lamm auch das Porträt eines Landes im Umbruch, in dem verschiedene Religionen wie das Christentum, das Judentum und auch Naturelemente zusammenkommen und zu einer ganz eigenen Sprache werden. Mithilfe zweier Protagonisten erzählt Regisseur und Ko-Autor Yared Zeleke davon, wie eine Jugend heranwächst, die mit den alten Regeln und Normen brechen will, dabei aber immer wieder auf den Wiederstand der Alten trifft. Auf der einen Seite ist es der junge Ephraim, der sich mehr für Frauenarbeiten interessiert als Männerpflichten. Tsion (Kidist Siyum) wiederum will von den Erwartungen an junge Frauen nichts wissen, liest lieber Zeitungen und informiert sich über die große weite Welt, die in Äthiopien tatsächlich noch fern scheint. Will mehr sein als eine bloße Hausfrau.
Der Aufstand gegen die Alten ist dabei natürlich kein rein äthiopisches Phänomen, vielmehr ist der Film von einer verblüffenden Universalität, zeigt Generationenkonflikte, wie sie wohl schon immer und überall stattgefunden haben. Das wird für manchen Zuschauer, der sich eine stärker originäre Geschichte gewünscht hätte, vielleicht etwas enttäuschend sein, ist aber nicht zwangsläufig ein Nachteil hier, ist Ephraim und das Lamm dadurch doch auch für das breite Publikum durchaus begreifbar und nachzuempfinden.
Schwieriger ist da schon, dass hier vieles ein wenig holprig erzählt wurde. Dass Tsion beispielsweise jedes Mal genau dann im Dorf auftaucht, wenn Ephraim ein Problem hat, ist genauso konstruiert wie dass er sich jedes Mal beim Geldzählen erwischen lässt. Auch bei den Beziehungen innerhalb der Familie nimmt sich der Film immer genau das, was er in dem Moment braucht, ohne darauf zu achten, ob da eine natürliche Entwicklung dahintersteckt. Manche Reaktion und der eine oder andere Dialog wirkt dann auch eher überzogen. So richtig mithalten kann der afrikanische Beitrag deshalb noch nicht mit der internationalen Konkurrenz, lässt man das Drumherum weg, bleibt er eher im Durchschnittsbereich hängen. Aber das ist für ein derart junges Filmland ja schon mal nicht schlecht, wer derartige Geschichten schätzt, darf gern mal in diese Variante hineinschauen.
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